Geld, Geschenke und Öffentlichkeitsarbeit
Öffentlichkeitsarbeit zum Themenbereich Gewalttrauma(folgen), speziell DIS, machen wir bereits seit 11 Jahren. Damals veranstalteten wir als allerersten Schritt eine kleine Ausstellung mit gemalten Bildern, es folgten die Gestaltung eines Blogs (bis heute), die Planung und Durchführung des Selbsthilfekongresses „DIS-kurs“, Mitarbeit in einem Radioprojekt zum Thema psychische Gesundheit/Krankheit und diverse kleinere und mittelgroße Aktivitäten- und zwar immer, ohne dafür Geld oder andere materielle Zuwendungen zu bekommen. Zum Einen deshalb, weil die verschiedenen Projekte eh immer sehr mit grundsätzlicher Finanzierung zu kämpfen hatten, zum Anderen deshalb, weil es uns nicht in den Sinn kam, konsequent Honorar für uns einzufordern. Das, was wir taten, war uns eine Herzensangelegenheit – und wir haben lange nicht verinnerlichen können, dass man auch mit Herzensangelegenheiten Geld verdienen darf und kann.
Heute ist es so, dass wir für unsere Peer- und Angehörigenarbeit im Rahmen eines Ehrenamtes eine monatliche Aufwandsentschädigung bekommen (und dementsprechend auch nur eine begrenzte Stundenzahl tätig sind).
Und das war’s auch schon.
Wir haben im Zusammenhang mit unserem Blog und Instagram-Account bewusst keine öffentliche Wunschliste oder sonstige Spenden-Möglichkeiten für uns eingerichtet.
Manche Akteur*innen auf social media tun das und es kann ja auch Möglichkeiten eröffnen, unterstützt, anerkannt, bedacht und begleitet zu werden von anderen Menschen, die das gerne tun möchten.
Für uns ist das so keine Option, denn Geschenke und Zuwendungen zu bekommen, vielleicht auch als Gesten der Dankbarkeit für etwas, was wir tun oder öffentlich äußern, ist eine heikle Sache, wenn es in rein virtuellen Kontakten passiert.
Ein Geschenk von einer anonymen oder nur flüchtig bekannten Person zu bekommen, herausgepickt aus einer Wunschliste (welche per se schon eine sehr persönliche Sache für uns wäre), möglicherweise „einfach nur so“ und ohne vorherige Kommunikation- das würde uns gar nicht freuen, sondern sich eher bedrohlich und „unseriös“ anfühlen.
„Warum lässt uns wer wann etwas zukommen? Was wird dafür evtl. im Gegenzug erwartet: Wird da versucht, sich etwas zu erkaufen? Ist das „nur“ eine freundliche Geste?“
Einen Blumenstrauß, ein Päckchen Tee oder eine Süßigkeit, etwas selbst Gebasteltes, u.a. haben wir hingegen schon auf Lesungen und Vorträgen geschenkt bekommen, mit freundlichen Worten, auch von fremden Personen – und darüber haben wir uns sehr gefreut! Das hatte keine Bedrohlichkeit- und sprach auch nicht unseren Alarmsensor in Sachen „Bestechlichkeit“ an.
Dass wir uns mit unserer DIS mehr oder weniger- in einem gewissen Rahmen- öffentlich zeigen, bedeutet auch, dass wir mit unseren Gewalterfahrungen sichtbar werden. Die Gewalt beinhaltete Ausbeutung – andere haben mit uns Geld verdient. Und wir kennen es, zweckgebundene „Geschenke“ zu erhalten. Deshalb ist es für uns heute umso wichtiger, gerade bei unserer Öffentlichkeitsarbeit so unabhängig wie möglich zu sein und zu bleiben- und nur in klar definiertem Rahmen „Honorar“ anzunehmen.
Wir freuen uns, wenn uns Menschen Bestärkendes und Anerkennendes schreiben; wenn wir lesen und hören, dass unsere Texte unterstützend und wichtig für sie sind; wenn sie uns rückmelden, dass eine Peerberatung gut für sie war, u.a. Wenn jemand, den wir schon etwas näher kennen, uns fragt, womit sie/er uns eine Freude machen könnte, weil ihr/ihm das ein persönliches Anliegen ist, dann ist es schön, darüber weiter in Kontakt zu kommen und zusammen zu überlegen, bzw. etwas zu finden, was für beide-alle passt.
Ganz klar ist für uns: Wir werden nicht vor der Kamera Geschenke-Päckchen auspacken und Freude demonstrieren. Wir werden kein Like, kein Follow, keine Empfehlung aussprechen, nur weil jemand irgendwie „nett“ zu uns war. Wir sind keine „Nonsens-/Irgendwas-Influencer*innen“, die ihr Konto und ihr Ego damit auffüllen, möglichst viel (materielle) Aufmerksamkeit zu bekommen- denn wir sind mit einem Thema öffentlich, dass uns zu sensibel, zu persönlich und zu wichtig ist, um uns damit selbst zu verkaufen!
Aktivist*innen verdienen für ihre Arbeit Anerkennung. Es ist ein Unding, dass z.B. Gewaltbetroffene, die sich für Veränderungen, Aufklärung, Entstigmatisierung einsetzen, so etwas überwiegend unentgeltlich machen müssen (!), weil öffentliche Stellen, bzw. jene, die verantwortlich wären, nicht bereit sind, sie für ihre Arbeit angemessen zu bezahlen. Es ist ein Unding, dass Menschen im Internet eher Geld dafür bekommen, life vor der Kamera irgendeinen fancy Lippenstift zu testen, als gesellschaftlich relevante Statements zu veröffentlichen. Und es ist ein Unding, wer für was mit Klicks, Likes und Follows bedacht wird und welche Informationen sich auf diesem Weg wie weit und easy verbreiten.
Es ist nicht selbstverständlich, die eigene Arbeit zu verschenken – nichts, was selbstverständlich vom Gegenüber erwartet werden kann und soll! Und gleichzeitig ist ein Geschenk oder eine Zuwendung nichts, was an ausgesprochene oder unausgesprochene Bedingungen geknüpft werden darf.
Was wir wann wo wie geben, entscheiden wir selbst. Was wir von wem wie annehmen auch.