Kontaktpunkte

Einladung zum Sommerpicknick für Menschen mit (p)DIS und Angehörige

Einfach zusammen sein, klönen, lachen, schweigen, Blümchen anschauen, einander begegnen, Schmetterlinge zählen, Kekse oder was auch immer essen- eine schöne Zeit miteinander haben.

Das ging uns so durch den Kopf, als wir gemeinsam mit Hannah C. Rosenblatt ein Treffen für Viele und Angehörige planten.

Wir laden Euch herzlich ein zum:

"Sehr heller, leicht violetter Hintergrund auf dem im unteren Drittel 5 leicht geöffnete Tulpen mit ihren grünen Stengeln und Blättern liegen. Sie sind von links nach rechts pink mit einem dünnen hellen Rand, lila, weiß, lila und hellrot mit einem dünnen lila Rand. Darauf in grüner, serifenloser Schrift: "Sommerpicknick, für Menschen mit (p)DIS und Angehörige, Hamburg, Botanischer Garten, am 11. 6. 2022 um 13 Uhr, Anmeldung und weitere Infos per E-Mail an sommerpicknick@gmx.de, Wir freuen uns auf euch! Hannah C. Rosenblatt und Paula Rabe"

Infos, Regeln und Beschreibungen zum Botanischen Garten findet Ihr hier: Botanischer Garten Hamburg

Wir sammeln Anmeldungen und beantworten Fragen unter der im Flyer genannten Emailadresse.

Bis bald! ☺

Zum 1.Mai

©PaulaRabe

Dieser herzliche Maigruß geht raus an alle Freund*innen, Partner*innen, Herzleute, Liebgehabte, Verbündete, Angehörige und Unterstützer*innen, die an der Seite von gewalttraumatisierten Menschen sind und bleiben.

Danke, dass Ihr da seid!

Raus aus der Dauerschleife!

©PaulaRabe

Schuldgefühle kennen wohl die meisten Gewaltbetroffenen.
Selbst zu den Taten beigetragen oder etwas verursacht zu haben, mitverantwortlich zu sein, weil man dies und jenes getan oder unterlassen hat- das sind Gedanken, die Betroffene auch Jahrzehnte nach den Gewalterlebnissen noch quälen können.

Schuldgefühle machen psychisch und physisch krank, wenn sie ignoriert oder weggeredet (“Du weißt doch, dass du keine Schuld hattest!“) werden.
Hinsehen, zulassen, ernst nehmen, anerkennen- erst dadurch kann ein Prozess des Loslassens und Mit-sich-selbst-Versöhnens möglich werden.

Besonders perfide und hartnäckig hält sich “die Schuldfrage“ bei Überlebenden ritueller/organisierter Gewalt, die selbst Gewalt gegen Andere ausgeübt haben.
Über Jahrzehnte dieser Prägung ausgesetzt zu sein, seit früher Kindheit, führt ganz automatisch dazu, Täter*innen-Introjekte zu entwickeln. Wenn die Gruppierung zusätzlich einen Menschen gezielt (!) spaltet, entstehen innere Anteile/Fragmente/Innenpersonen, die in ihrem Handeln, Denken, Fühlen, Wollen besonders “gruppendienlich“ strukturiert sind.

Dazu gehören auch Aspekte wie “Gewalt gut/normal/berechtigt finden“, “Schwäche verurteilen und sanktionieren“ und “lebenslange Zugehörigkeit/Verbindung zur Gruppe; Eine*r von ihnen sein“.

“Schuld“ ist ein Thema, das Täter*innen bewusst und konsequent nutzen, um Realitäten zu verdrehen, Opfer an sich zu binden, Schweigen zu gewährleisten und auch ohne direkten Kontakt Einfluss auf das Leben (die Lebensqualität!) der Betroffenen nehmen zu können.

Wer sich schuldig fühlt, sucht evtl. Erleichterung (und kehrt immer wieder zurück zum “Ursprung“), spricht nicht über die Geschehnisse (Scham), hält permanente Bestrafung für angemessen (und wehrt sich nicht), bleibt in Altem stecken. Eine gute Absicherung für Täter*innenkreise, “alle Schäfchen im Stall zu halten“!

Vermeintliche oder reale Schuld (jedenfalls “täterinduziert“) sich selbst in Dauerschleife immer wieder vorzuhalten, ohne die ganze Wahrheit anzuschauen (Hätte ich in einem anderen Kontext genauso gehandelt? Hatte ich eine Wahl? Was wäre passiert, wenn ich Nein gesagt hätte? Was hat dazu beigetragen, dass ich mich so und so entwickelt habe?)-
das ist Selbstzerstörung.

Aus dieser “never ending story“ können keine Heilung, kein innerer Frieden und kein Wachstum hervorgehen, sondern sich nur Lähmung und Angst weiter verankern.

Es geht hier und jetzt darum, sich zu entscheiden: Was mache ich mit meiner Schuld? Halte ich sie als Verbindungsglied zur Gruppierung weiter aktiv und füttere sie täglich, oder gestatte ich mir, sie gehen zu lassen und mich vom Täter*in-Sein in aller Konsequenz zu lösen?

In den Schuldgefühlen verankert zu bleiben und das Leid darin immer wieder neu aufzuwärmen, darin Stück für Stück weiter zu zerbrechen und letzten Endes auf Dauer zu verrecken, macht die Schuld nicht weg. Man erlöst weder sich noch Andere dadurch, man arbeitet die Schuld nicht ab und tut auch keine Buße durch Selbstgeißelung.

Wenn es aus der Schuld raus in die Eigenverantwortung gehen soll, braucht es freie Beweglichkeit, keinen Kreis-Lauf.

DIS und Entwicklungen

©PaulaRabe

Keine Klinik, kein*e ambulante*r Psychotherapeut*in, kein*e Freund*in – absolut niemand hat das Recht, Ziele vorzuschreiben oder spezielle Entwicklungen als Erfolge zu definieren.

Ob sich ein Weg heilsam, heilend, verarbeitend, integrativ anfühlt und darstellt, bestimmt und weiß der/die Betroffene.

Einzelne Aspekte und Fragen darin mögen für Außenstehende nicht nachvollziehbar, begreifbar oder positiv bewertbar sein- und eventuell auch schwer aushaltbar zu beobachten sein-, trotzdem gehört alles zur Selbstbestimmung der/des Betroffenen. Die Grenzen liegen dort, wo jemand daran gehindert wird, sein/ihr Selbstbestimmungsrecht wahrzunehmen.

Kliniken, die “Integration als Ziel“ zur Aufnahmevoraussetzung für Menschen mit DIS erklären; Psychotherapeut*innen, die rein verhaltenstherapeutisch nur an Stabilisierung herumdoktorn und anhand des Alltagsfunktionalitätsgrades eine “Heilung“ definieren; Menschen, die Schwäche, Krankheit, Erschöpfung, Verletzung ignorieren, abwerten oder gar sanktionieren, einfach weil sie es aufgrund ihrer sozialen Rolle können/dürfen- sie alle greifen in die persönlichen Freiheitsrechte der Betroffenen ein.

“Gute Absichten“ machen diese Übergriffe nicht besser.

Keine Zumutung!

©PaulaRabe

Es ist keine Zumutung, Viele zu sein!

In Beziehung zu leben, nach innen und nach außen, bringt immer wieder Herausforderungen mit sich: Vertrauen, Offenheit, Intimität, Kontinuität, Kommunikation, Streitkultur, Toleranz, Grenzen- all das sind keine peanuts!

Es braucht Mut und Entscheidungen und vor allem Liebe, um sich darauf einzulassen.

Bei Menschen mit Dissoziativer Identitätsstruktur können sich spezielle Themen im Kontext von Partner*innenschaft und Freund*innenschaft auftun, die sich innen und außen auswirken und somit auch das/die Gegenüber betreffen:

Wer aus dem Innensystem gestaltet die Beziehung wie und warum? Wer fühlt wie? Gibt es Eifersucht? Was, wenn manche eine romantische Beziehung mit dem Gegenüber möchten/führen, andere aber Freundschaft leben wollen- lässt sich das vereinbaren? Wer denkt/fühlt/handelt wie zu Monogamie, Polyamorie, u.a.? Wie wirken sich unterschiedliche sexuelle Orientierungen aus? …usw….

Die Auseinandersetzungen zu Fragen wie diesen können einer Beziehung eine besondere Tiefe und Nähe verleihen. Auch ein gemeinsames Durchstehen von Traumafolgesymptomen, Krisen, äußeren und inneren Bedrohlichkeiten können “zusammenschweißen“.

Es ist nicht (nur) schwer, belastend, besorgniserregend oder gar schockierend, mit einem Viele-Menschen verbunden zu sein.

Es ist auch keine “wahnsinnige Leistung“, Angehörige*r zu sein!

Von unserer Partnerin wissen wir, dass es sie sehr nervt und auch traurig macht, wenn andere Menschen ihr ihre “Anerkennung“ aussprechen wollen, dafür, dass sie unsere Partnerin ist. Als wären wir aufgrund des Vieleseins und des Gewalthintergrundes eine besondere Zumutung- und sie als Partnerin nichts weiter als die (vermeintlich gesunde) Heldin an unserer (angeblich gestörten) Seite.

Sie ist doch viel mehr als nur “die Angehörige“- und wir sind viel mehr als nur “die Vielen“.

Spaltung verstärken??

©PaulaRabe

Wenn man sich bei einer (p)DIS mit seinem Innenleben auseinandersetzt, auch in Psychotherapie, kann einem Abwehr begegnen:

Sowohl innen als auch außen können Kommentare/Haltungen auftauchen, man würde die “Spaltung“ doch nur noch verschlimmern, wenn man ihr “zu viel Bedeutung beimisst“.

Unserer Erfahrung nach ist das Quatsch: Eine DIS wird nicht heftiger oder ausgeprägter, nur weil man sich gezielt mit den Anteilen, ihren Namen, Aufgaben, Eigenheiten auseinandersetzt. Im Gegenteil: Erst wenn sie Raum und Anerkennung bekommen, wenn sie verschieden sein dürfen, kann eine Sortierung und auch innere Beruhigung entstehen.

Es ist nicht der Auftrag und nicht das Recht eines/einer Psychotherapeut*in, in diesem Zusammenhang zu reglementieren oder gar zu stoppen. Betroffene brauchen Begleitung auf IHREM Weg, den sie sehr gut selbst bestimmen können.

Sollte bei einem/einer Helfer*in der starke Impuls entstehen, etwas in diesem Zusammenhang zu begrenzen, weil der Eindruck entstanden ist, jemand würde sich in etwas “hineinsteigern“, könnte es evtl. nötig und sinnvoll sein, die Diagnose noch mal zu überprüfen (“Fehldiagnosen“ und “Fakes“ sind bitte kein Tabuthema!) UND die eigene Abgrenzungsfähigkeit gleich mit.

Organisierte Gewalt ist alltäglich.

©PaulaRabe

Menschen können verschwinden, ohne dass es jemandem auffällt oder sich Ermittlungsbehörden ernsthaft darum kümmern würden.

Dies ist eine Tatsache, die zur Existenz der organisierten Gewalt gehört. Und zwar IMMER, zu allen Zeiten!

Sogenannte “Straßenkinder“ aus dem In- und Ausland, sogenannte “Waisenkinder“ aus Osteuropa oder anderen Kontinenten, drogenabhängige Wohnungslose, Nichtregistrierte, “Namenlose“- es gibt viele Menschen, die “niemand vermisst“ und die erschreckend einfach von Täter*innen ausgebeutet, misshandelt und letztlich auch “entsorgt“ werden können.

Aus der Ukraine flüchten derzeit vor allem Frauen und Kinder (auch unbegleitete Minderjährige), für die eine sehr große Gefahr besteht, von organisierten Gewalttäter*innen entführt, eingesperrt, “verkauft“ und misshandelt zu werden.

Diese Gefährdung existiert bei jeder Fluchtbewegung, egal aus welchem Krieg, aus welchem Land, zu welcher Zeit.

Um diese Menschen schützen zu können, braucht es Informationen über organisierte Gewaltstrukturen u.a. in Deutschland! Es braucht Wissen und Aufmerksamkeit!

Also hört, verdammt noch mal, den Überlebenden organisierter Gewalt, die zum Teil in solche Strukturen hineingeboren wurden, zu und nehmt sie ernst!

Gebt Euch Mühe in den Strafverfahren!

Beendet das Leugnen!

Tut nicht so, als wären Menschenhandel und Kinderfolter ein spezielles Phänomen in Fluchtzeiten, dessen Beachtung und Bekämpfung Ihr Euch jetzt plötzlich auf Eure politischen Fahnen schreiben wollt!

Überlebende organisierter Gewalt reden schon seit Jahrzehnten darüber, was jeden Tag hier und anderswo passiert- also macht endlich Augen, Ohren, Hirn und Herz auf und holt Betroffene mit an Eure runden Tische!

Mind Control, Hoffnung und Widerstand

Wir fühlen uns schon so lange Zeit so machtlos gegenüber dem, was Täter*innen uns eingepflanzt haben- und wir haben gespürt, dass wir keinen Zugriff haben in diese inneren Ecken, dass wir sie nicht verändert bekommen und dass aus diesem „Gebiet“ das pure Chaos nach außen dringt.“ (Zitat von uns aus dem Jahr 2013)

Diese erlebte Ausweglosigkeit und Ohnmacht haben wir auch im Kontakt mit anderen „Viele“-Menschen schon wahrgenommen. Viele andere Überlebende, die einer Bewusstseinskontrolle ausgesetzt waren, spüren und denken das Gleiche: „Wir werden niemals einen Weg da raus finden! Es wird ein großes Mysterium bleiben! Wir sind unseren eigenen fragmentierten, programmierten Teilen hilflos ausgeliefert!“ Und zudem: „Wir dürfen uns dieser Thematik nicht nähern, das ist lebensgefährlich!“.

Wir lehnen uns schon seit einigen Jahren gegen diese täter*innensuggerierte Ausweglosigkeit auf. Wir wollen und werden nicht (mehr) an diese „Ultra-Macht der organisierten Täter*innen bis in alle Ewigkeit“ glauben. Gleichzeitig bekamen wir die inneren Konsequenzen dieser Auflehnung zu spüren- denn dies sind keine „erlaubten Gedanken“ und sie sind „nicht im Sinne der Täter*innen“.

Das bedeutete für uns: Wenn wir uns gedanklich zu weit aus dem Fenster lehnten, zu sehr am „eingetrichterten Input“ zweifelten, kamen vor allem Selbstverletzungstendenzen auf, zum Beispiel in Form von Schlafentzug, Hungern, Erbrechen, Isolation, Verbrennungen, Hautverletzungen und auch Suizid-Druck. Auch der innere Zwang, sich wieder bei den Tätern*innen zu melden, Bericht zu erstatten über die eigene Entwicklung, Reue zu zeigen, mit keinem Außenmenschen mehr zu sprechen, der nicht zum Täter*innenkreis gehört, in eine Selbstleugnungsphase zu gehen oder jeden helfenden Kontakt abzubrechen, konnte entstehen.

Dachten oder taten oder fühlten wir zu viel Täter*innen-Entferntes, bedeutete das für uns immer wieder unvorstellbar großen Druck und jede Menge inneres Chaos. Je länger wir entgegen des Tätersinnes agierten, desto enger wurde die innere Schraubzwinge.

Es ist also kein Wunder, wenn wir und auch viele andere Überlebende immer wieder Schritte zurück mach(t)en in die Position der Fügsamen. Das „sich Auflehnen“ und „Querdenken“ zieht so viel Energie, dass man manchmal wirklich „auf dem Zahnfleisch geht“- und eine Rückkehr in die alte, aber „sichere“ täterfreundliche Haltung im Grunde eine kurzzeitige Erholung -vielleicht sogar einen Selbstschutz vor Suizid- darstellt.

Es hilft also nicht immer, wenn man hört oder liest, dass „die Lösung zur Loslösung“ in einem selbst liegt. Manchmal verstärkt das den inneren Druck und das Gefühl, ein_e absolute_r Versager_in zu sein. Kein Mensch, der es nicht selbst erlebt hat, kann nachfühlen und ermessen, wie existenziell und anstrengend der Kampf um die Rückeroberung des eigenen Seins wirklich ist.

Heißt das also, Betroffene können sich keine „gemeinsame, solidarische Hoffnung“ leisten? Weil es einfach so wenige „Erfolgsgeschichten“ gibt- erst recht nicht öffentlich sichtbare?

Wir haben besonders im Viele-Kontakt im Internet (Foren, Blogs, Gruppen) häufig die „zelebrierte Ausweglosigkeit“ erlebt. So sehr, dass eine Atmosphäre der dauerhaften Bedrohlichkeit entstand, über der die unsichtbare Überschrift prangte: „Solange Du Dich an die durch Bewusstseinkontrolle eingetrichterten Dogmen hältst, bist Du in Sicherheit! Es ist hochgradig kompliziert und beinahe unmöglich, daran etwas zu ändern!“- und das ist für uns völlig kontraproduktiv! „Schockstarre-und-Augen-zu“ erscheint uns nicht als passende Methode, um das aufzulösen, was mit täter*innengewollter Schockstarre und Dissoziation eingetrichtert wurde. Und gleichzeitig: Mystifizierung, Glorifizierung, Dramatisierung, Absolutismus halten Täter*innen in ihren machtvollen Positionen.

Es ist eigentlich ganz simpel und gar nicht so hoch komplex, wenn man auf die Basis schaut:

Das, was uns und anderen Betroffenen eingetrichtert wurde, ist FALSCH!

Wir* sind keine Folterknechte, keine Sexsklaven*innen und keine Geheimagenten*innen. Wir sind keine Auserwählten, keine Privilegierten und keine „Gotteskrieger*innen“. Wir* sind MENSCHEN. Das Gleiche gilt für die Täter*innen.

Alles, was Bewusstseinskontrolle in einem Gehirn aktiviert hat, wurde von dem Gehirn umgesetzt, dem/der es gehört. Alle Wege, die „Trauma“ in einem gemacht hat, befinden sich im Kopf, im Körper der/des Betroffenen. Das sind letztlich “gute“ Voraussetzungen und lohnenswerte Ausblicke, die sich daraus ergeben. Wieso sollte man sich da keine Hoffnung leisten können?!

Und wieso servieren wir* in unserem Alltag immer wieder den Gewalttäter*innen sehr viel Freundlichkeit- und uns* selbst sehr viel Verachtung?

-Das Verbot, sich auszutauschen und zu vernetzen (sowohl intern, als auch extern), ist täterfreundlich.

-Das Verbot, daran zu denken, dass auch Bewusstseinskontrolleur*innen Fehler machen, ist täterfreundlich.

-Das Verbot, daran zu glauben, ohne die Gruppierung lebenswert existieren zu können, ist täterfreundlich.

-Das Verbot, sich mit anderen Betroffenen zu verbünden und sich gegenseitig zu stärken, ist täterfreundlich.

-Das Verbot, zu denken, dass Bewusstseinskontrolle auflösbar ist, ohne sich automatisch in Lebensgefahr zu bringen, ist täterfreundlich.

-Das Verbot, zu fühlen und zu erleben, dass eine „Deprogrammierung“ auch simpel und gar nicht so „hoch komplex“ sein könnte, ist täterfreundlich.

-Das Verbot, zu verstehen und zu durchblicken, wie die innere Struktur gemacht und aufgebaut wurde, ist täterfreundlich.

Und das Verbot, öffentlich über all das zu sprechen, rituelle/ritualisierte, organisierte Gewalt ins Blickfeld zu rücken und politische und gesellschaftliche Verantwortung zu FORDERN- das ist auch täterfreundlich!

nicht aus(zu)halten

©PaulaRabe

Manche Gewalten kommen plötzlich und unerwartet. Manche werden angekündigt und sind absehbar. Ein Bruch, ein Riss, eine Wunde- meistens kann man sich davor nur bedingt schützen.

Es ist okay, sich abzuwenden, wenn einen das, was man sieht, zu hart trifft. Es ist okay, sich etwas nicht anzuhören, das überfordert, belastet, beängstigt.

Es ist okay, etwas nicht tapfer oder stumpf auszuhalten, sondern zu fühlen, wie schlimm es ist und das auch auszusprechen.

Sekundäre Traumatisierung ist nichts, was man riskieren oder erdulden muss -aus Solidarität oder Mit-Leid mit jenen, die direkt betroffen sind. Es ist okay, sich zu schützen, so gut es eben möglich ist- und das bedeutet nicht, dass man egoistisch, ignorant oder naiv wäre.

Hinsehen, wahrnehmen, realisieren, ernst nehmen- ja! Aber nicht in einer schonungslosen, überflutenden Dauerschleife.

Mitgefühl mit anderen und sich selbst haben, Grenzen erkennen und respektieren, nicht alleine bleiben mit Angst, Schrecken, Ohnmacht- all das ist wichtig, um nicht am Rande der Gewalt (oder sogar mittendrin) völlig zu zerbrechen.

Innenkinder und Spiel-Raum

Wir haben immer wieder erlebt, dass heilsame Erfahrungen bei den Innenkindern eine große, positive und umfassende Wirkung auf das gesamte Persönlichkeitssystem haben.

„Heilsam“ muss nicht zwangsläufig „glücklich“ bedeuten. Manche Innenkinder sind schwer zu erreichen, schwer zu beruhigen oder zu versorgen und die größtmögliche Lebensqualitätsverbesserung kann für sie heißen: Weniger Schmerz, weniger Angst, mehr Verbindung im Innen (und evtl. im Außen).

Unserer Erfahrung nach ist es sinnvoll, in einen persönlichen, einladenden Kontakt zu gehen und auf Bedürfnisse zu achten. Manchmal können Wünsche ausgedrückt werden- aber was ist, wenn weder eine Wunschliste für einen Einkauf bei „Toys r Us“ und Co vorgelegt, noch freudestrahlend eine Beziehung zum Vorlese-Ritual aufgebaut wird? Vieles kann erst mal im Sande verlaufen und sich so anfühlen, als agiere man in einen leeren Raum hinein.

Es fällt nicht immer leicht, am Ball zu bleiben. Der Kontakt zu Innenkindern kann auch potentiell triggernd sein, denn sie können zum Einen ein Spiegelbild der Kindheit, zum Anderen die Personifizierung des „Unerlaubten“ darstellen.

Kindliche Verhaltensweisen wie laut sein, Quatsch machen, herumalbern, experimentieren wollen, sich selbst entdecken, u.a. werden in einer gewaltvollen Kindheit oft missbilligt, unterbunden und bestraft. Kinder werden zur „Vernunft“ und zur Gefügigkeit erzogen- und dies zeigt sich häufig auch heute noch bei Innenkindern. Wenn man sich damit auseinandersetzen möchte, wie man ihnen im heutigen Leben helfen könnte, sich weiterzuentwickeln, muss man sich zwangsläufig auch mit „Täter*innen-Introjekten“ befassen.

Was wäre, wenn es gelingen könnte, dass Innenkinder Aspekte von guter Kindheit im Heute nach-erleben dürften? Was wäre, wenn sie Spiel-Raum hätten? Was wäre, wenn sie sich entfalten dürften? Was würde aus ihnen werden, wenn sie sich und ihre damalige Entstehung und das gemeinsame heutige Sein begreifen und einsortieren könnten?

Wohin mit der großen Angst, die diese Entwicklung im Innern auslösen könnte?

Wir haben das Gefühl, dass es sehr heilsam sein kann, manche Innenkinder in ihrem eigenen Tempo ein paar Schritte zurück und somit vorwärts gehen zu lassen. Das „Zurück“ bezieht sich auf eine Annäherung an etwas Alterstypisches. Zum Beispiel kann es sein, dass Innenkinder keinen natürlichen, spontanen Zugang zum Spielen haben. Sie zeigen sich teilweise überfordert von der Möglichkeit der (Frei-)Zeitgestaltung. Selbst wenn ein Innenkind in seiner Aufmerksamkeit zum Beispiel fasziniert auf den Anblick eines „Rennwagens“ auf einem Bild reagiert, kann eine aufgebaute „Carrera-Bahn“ tagelang unberührt herumstehen oder sogar Angst auslösen. Weil die spontane Spiellust innen verkrampft und unterdrückt ist und sich (noch) nicht einfach nach außen zeigen kann. Das braucht Zeit. Zudem ist der Aspekt des „eigenen Besitzes“ möglicherweise ebenfalls angstbesetzt: Wenn man etwas gern hat, konnte das gefährlich sein. Etwas Liebgewonnenes wurde weggenommen, um für irgendetwas zu bestrafen oder unter Druck zu setzen. Insofern fühlt es sich wohl zeitweise sicherer an, besser überhaupt nichts zu „besitzen“, damit man erst gar nicht in die Gefahr kommt, es wieder zu verlieren.

Es hilft in dem Zusammenhang nicht zwangsläufig weiter, diesen Kindern einfach nur mitzuteilen: „Heute darfst du Kind sein und spielen!“ und ihnen kindgerechte Dinge zur Verfügung zu stellen. Sie können gar nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, weil sie in ihrem bisherigen Leben wortwörtlich „niemals Spiel-Raum“ hatten. Sie kennen „Beschneidung“, Gefängnis, Gewalt und Verhaltenskontrolle.

Es braucht Geduld, Ruhe und Zeit, bis wahrgenommen werden kann: Heute sind kleine, ungewohnte, freie Schritte machbar- eben so, dass sie kognitiv und emotional zu begreifen sind.

Vielleicht werden nach und nach dann doch auch einige Hilfsmittel gefunden, die manchen Innenkindern gut tun. Für uns gilt das Motto „Spiel-Raum statt Spiel-Zeug“. Das bedeutet, dass wir Innenkindern und gleichzeitig uns allen einen erweiterten und sicheren Rahmen schaffen wollen, in dem Bewegung, Entwicklung und Selbst-Bewusstwerden stattfinden darf:

Sie dürfen heute wünschen und trotzen und laut weinen und jammern und Quatsch machen. Sie dürfen sagen „Ich versteh das nicht!“. Sie dürfen alle Fragen stellen, die ihnen einfallen. Und genauso dürfen sie klug und clever sein, wortkarg oder anhänglich, Spezialist*innen in eigener Sache, Besserwisser und Schlauberger. Wir Erwachsenen haben hier zu lernen, dass die diesbezüglichen Ängste, Bequemlichkeiten und Verdrängungsmechanismen in unserer (!) Verantwortung liegen, und nicht in der der Innenkinder.

Der wichtigste Teil unserer „materiellen Schätze“ sind Bücher. Wenn Innenkinder betrachten, was Lotta aus der Krachmacherstraße alles kann und darf, wie eine Kuh ein Baumhaus baut, ein kleiner Kater eine Geburtstagstorte bekommt oder wie die Eier verschiedener Vogelarten aussehen, sind das Friedensmomente. Sie schauen und lernen- nicht nur, wie man komplizierte Worte korrekt schreibt oder wann eine Amsel brütet, sondern auch, dass ihr eigener Kopf ihr eigener Kopf ist und sein und bleiben darf. Sie finden heraus, was sie interessiert und was nicht, was für sie lustig und spannend ist und was nicht, was schön aussieht und was nicht.

Es kann ein bahnbrechender, gesamtsystemischer Prozess sein, wenn Innenkinder endlich ihrem Alter entsprechend in einem gesicherten Heute „sein“ dürfen, während sie gleichzeitig realisieren können, dass es etwas Großes, Erwachsenes im Innenleben gibt, das zu ihnen gehört und für sie Verantwortung übernimmt. Sie meistern einen Spagat zwischen kindlicher Selbstwahrnehmung und erwachsenem Außenleben, eventuell auf dem Weg des Größerwerdens.

Für uns ist verstehbar geworden, warum „gut versorgte Innenkinder“ so systemübergreifend wirken: Wir arbeiten dabei an unserer Basis. Wir konfrontieren uns mit den Ursprüngen unserer Spaltungen.

Und dabei geht es nicht nur um eine hübsch eingerichtete Kinderecke in der Wohnung oder die neueste Ausgabe des Medizini-Heftchens…