„Wir fühlen uns schon so lange Zeit so machtlos gegenüber dem, was Täter*innen uns eingepflanzt haben- und wir haben gespürt, dass wir keinen Zugriff haben in diese inneren Ecken, dass wir sie nicht verändert bekommen und dass aus diesem „Gebiet“ das pure Chaos nach außen dringt.“ (Zitat von uns aus dem Jahr 2013)
Diese erlebte Ausweglosigkeit und Ohnmacht haben wir auch im Kontakt mit anderen „Viele“-Menschen schon wahrgenommen. Viele andere Überlebende, die einer Bewusstseinskontrolle ausgesetzt waren, spüren und denken das Gleiche: „Wir werden niemals einen Weg da raus finden! Es wird ein großes Mysterium bleiben! Wir sind unseren eigenen fragmentierten, programmierten Teilen hilflos ausgeliefert!“ Und zudem: „Wir dürfen uns dieser Thematik nicht nähern, das ist lebensgefährlich!“.
Wir lehnen uns schon seit einigen Jahren gegen diese täter*innensuggerierte Ausweglosigkeit auf. Wir wollen und werden nicht (mehr) an diese „Ultra-Macht der organisierten Täter*innen bis in alle Ewigkeit“ glauben. Gleichzeitig bekamen wir die inneren Konsequenzen dieser Auflehnung zu spüren- denn dies sind keine „erlaubten Gedanken“ und sie sind „nicht im Sinne der Täter*innen“.
Das bedeutete für uns: Wenn wir uns gedanklich zu weit aus dem Fenster lehnten, zu sehr am „eingetrichterten Input“ zweifelten, kamen vor allem Selbstverletzungstendenzen auf, zum Beispiel in Form von Schlafentzug, Hungern, Erbrechen, Isolation, Verbrennungen, Hautverletzungen und auch Suizid-Druck. Auch der innere Zwang, sich wieder bei den Tätern*innen zu melden, Bericht zu erstatten über die eigene Entwicklung, Reue zu zeigen, mit keinem Außenmenschen mehr zu sprechen, der nicht zum Täter*innenkreis gehört, in eine Selbstleugnungsphase zu gehen oder jeden helfenden Kontakt abzubrechen, konnte entstehen.
Dachten oder taten oder fühlten wir zu viel Täter*innen-Entferntes, bedeutete das für uns immer wieder unvorstellbar großen Druck und jede Menge inneres Chaos. Je länger wir entgegen des Tätersinnes agierten, desto enger wurde die innere Schraubzwinge.
Es ist also kein Wunder, wenn wir und auch viele andere Überlebende immer wieder Schritte zurück mach(t)en in die Position der Fügsamen. Das „sich Auflehnen“ und „Querdenken“ zieht so viel Energie, dass man manchmal wirklich „auf dem Zahnfleisch geht“- und eine Rückkehr in die alte, aber „sichere“ täterfreundliche Haltung im Grunde eine kurzzeitige Erholung -vielleicht sogar einen Selbstschutz vor Suizid- darstellt.
Es hilft also nicht immer, wenn man hört oder liest, dass „die Lösung zur Loslösung“ in einem selbst liegt. Manchmal verstärkt das den inneren Druck und das Gefühl, ein_e absolute_r Versager_in zu sein. Kein Mensch, der es nicht selbst erlebt hat, kann nachfühlen und ermessen, wie existenziell und anstrengend der Kampf um die Rückeroberung des eigenen Seins wirklich ist.
Heißt das also, Betroffene können sich keine „gemeinsame, solidarische Hoffnung“ leisten? Weil es einfach so wenige „Erfolgsgeschichten“ gibt- erst recht nicht öffentlich sichtbare?
Wir haben besonders im Viele-Kontakt im Internet (Foren, Blogs, Gruppen) häufig die „zelebrierte Ausweglosigkeit“ erlebt. So sehr, dass eine Atmosphäre der dauerhaften Bedrohlichkeit entstand, über der die unsichtbare Überschrift prangte: „Solange Du Dich an die durch Bewusstseinkontrolle eingetrichterten Dogmen hältst, bist Du in Sicherheit! Es ist hochgradig kompliziert und beinahe unmöglich, daran etwas zu ändern!“- und das ist für uns völlig kontraproduktiv! „Schockstarre-und-Augen-zu“ erscheint uns nicht als passende Methode, um das aufzulösen, was mit täter*innengewollter Schockstarre und Dissoziation eingetrichtert wurde. Und gleichzeitig: Mystifizierung, Glorifizierung, Dramatisierung, Absolutismus halten Täter*innen in ihren machtvollen Positionen.
Es ist eigentlich ganz simpel und gar nicht so hoch komplex, wenn man auf die Basis schaut:
Das, was uns und anderen Betroffenen eingetrichtert wurde, ist FALSCH!
Wir* sind keine Folterknechte, keine Sexsklaven*innen und keine Geheimagenten*innen. Wir sind keine Auserwählten, keine Privilegierten und keine „Gotteskrieger*innen“. Wir* sind MENSCHEN. Das Gleiche gilt für die Täter*innen.
Alles, was Bewusstseinskontrolle in einem Gehirn aktiviert hat, wurde von dem Gehirn umgesetzt, dem/der es gehört. Alle Wege, die „Trauma“ in einem gemacht hat, befinden sich im Kopf, im Körper der/des Betroffenen. Das sind letztlich “gute“ Voraussetzungen und lohnenswerte Ausblicke, die sich daraus ergeben. Wieso sollte man sich da keine Hoffnung leisten können?!
Und wieso servieren wir* in unserem Alltag immer wieder den Gewalttäter*innen sehr viel Freundlichkeit- und uns* selbst sehr viel Verachtung?
-Das Verbot, sich auszutauschen und zu vernetzen (sowohl intern, als auch extern), ist täterfreundlich.
-Das Verbot, daran zu denken, dass auch Bewusstseinskontrolleur*innen Fehler machen, ist täterfreundlich.
-Das Verbot, daran zu glauben, ohne die Gruppierung lebenswert existieren zu können, ist täterfreundlich.
-Das Verbot, sich mit anderen Betroffenen zu verbünden und sich gegenseitig zu stärken, ist täterfreundlich.
-Das Verbot, zu denken, dass Bewusstseinskontrolle auflösbar ist, ohne sich automatisch in Lebensgefahr zu bringen, ist täterfreundlich.
-Das Verbot, zu fühlen und zu erleben, dass eine „Deprogrammierung“ auch simpel und gar nicht so „hoch komplex“ sein könnte, ist täterfreundlich.
-Das Verbot, zu verstehen und zu durchblicken, wie die innere Struktur gemacht und aufgebaut wurde, ist täterfreundlich.
Und das Verbot, öffentlich über all das zu sprechen, rituelle/ritualisierte, organisierte Gewalt ins Blickfeld zu rücken und politische und gesellschaftliche Verantwortung zu FORDERN- das ist auch täterfreundlich!