Organisierte und/oder rituelle Gewaltstrukturen (ver-)binden.
So schlimm zerstörerisch sie auch sind, so viele gute, lebenswichtige Gründe es auch gegen (!) sie gibt – gleichzeitig sind sie unvergleichlich “zuverlässig“ und “haltend“.
Ihre Regeln, Hierarchien, Gebote und Verbote sind klar und eindeutig; Verhandlungsspielräume sind meistens nicht vorhanden. Es hat Vorteile, wenn man die gruppeninterne Logik verstanden und verinnerlicht hat.
In all dem Schrecklichen kann es ein Zuhausegefühl geben, ein Gehaltensein und sogar eine Art Lebensversicherungsempfinden:
“So lange ich brav bin und bleibe, kann mir nichts passieren.“ – Außer der Gewalt, die man eh schon seit Jahrzehnten kennt und die quasi gar nicht zählt.
Sich dafür zu entscheiden, diese Gewaltstrukturen zu verlassen, zu flüchten, gruppeninterne Beziehungen zu beenden ist deshalb unvergleichlich schwer und unbeschreiblich mutig, weil man erst mal ins Nichts fällt. Irgendetwas in einem vollzieht einen Sprung ins Leere, weil es nötig ist und so wichtige Gründe dafür gibt – und dabei taucht unweigerlich die Todesangst auf. Jene, die zuvor in Gewaltsituationen vielleicht auch schon spürbar war, aber immer wieder dissoziiert wurde – und die jetzt, beim Sprung ins Leere, mit voller Wucht präsent sein kann.
Sich in “körperliche Sicherheit“ zu bringen und dafür alte, langjährige Verbindungen kappen zu müssen, ohne vergleichbaren Halt oder klare Strukturen zur Verfügung zu haben – das ist oft mit einem viel größeren Leidensdruck (=Todesangst) verbunden, als die Gewalt innerhalb der Gruppe weiter auszuhalten- selbst wenn diese Gewalt konkret lebensgefährdend sein kann.
Dieses Fallen ins Nichts, mit existenzieller Angst, quasi dem Gefühl, sich aufzulösen außerhalb der Gruppierung – und gleichzeitig dem Wissen, dass es nicht (mehr) anders geht, weil “Drinbleiben“ keine Option mehr ist… Das ist ein unbeschreibliches inneres Dilemma und an Anspannung, Druck und Stress kaum zu überbieten.
Beruflich und privat Unterstützende sollten das auf dem Zettel haben, wenn sie sich fragen, warum Betroffene sich mit der Entscheidung zum Ausstieg so schwer tun oder es immer wieder “Rückschläge“ gibt…