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Trauma und Erinnerungen

Im Umgang mit traumatischen Erinnerungen kann es unterschiedliche Impulse im Innern geben: Zum Beispiel die des Vermeidens und die des Erinnern-Wollens.

Einzelne Persönlichkeiten können auf ihre Weise zu beiden Impulsen beitragen. Vielleicht geht es um Schutz vor Überflutung, um Angst vor dem Schmerz, um Aufrechterhaltung einer Stabilität, um Festklammern am Abgrund.

Und vielleicht ist da gleichzeitig der Wunsch, etwas verstehen und begreifen zu wollen, etwas zu sortieren und zu klären, die gemeinsame Biographie genauer zu beleuchten.

Wie lassen sich die beiden Impulse unter einen Hut bringen? Gar nicht? Geht es eventuell nur darum, beide als existent anzuerkennen und nebeneinander stehenzulassen? Wie kann es weitergehen, wenn es im Innern so sehr schwankt zwischen Weg- und Hinschauen, Verschleiern und Auflösen? Sind diese Ambivalenzen vielleicht sogar sehr hilfreich, weil sie ein Pendeln ermöglichen zwischen Konfrontation und Beruhigung/Erholung?

Die Erinnerungen an Traumata können lange phobisch besetzt sein. Zerstückelte Fragmente, zerrissene Wahrnehmungen; nichts, was irgendwie in einen verstehbaren Kontext gebracht werden kann. Es erwischt dich von jetzt auf gleich, reißt dich mit, frisst dich und kotzt dich dann wieder aus. Ziemlich logisch, dass man solche Erinnerungsmomente vermeiden will.

Erinnerungen an Traumata können aber auch sehr wertvoll und heilsam sein. Dann, wenn sich die quälende Amnesie auflöst und sich im Innern verteilte Stückchen zusammensetzen. Wenn sich ein Rahmen um das Ganze bildet, die Vergangenheit zu einem Teil des „Ich´s“ wird und somit keine „Nebelzeit“ mehr bleiben muss.

Die Gefühle können oftmals der Knackpunkt sein. Da entscheidet sich häufig, ob etwas oder jemand wieder innerlich wegbricht, oder ob der Prozess weitergehen kann.

Darf der Schmerz von damals heute (noch mal oder erstmals) kommen und wahrgenommen werden? Dürfen Unterschiede erkannt werden zwischen gestern und heute? Dürfen die alten Gefühle sich jetzt verändern?

War früher eigentlich überhaupt jemals Schmerz da? Oder gab es nur den Moment des traumatischen Entsetzens und gleich darauf die rettende Dissoziation? Was wird heute gefühlt, wenn man sich an früher erinnert? Ist es okay, auf emotionale Spurensuche zu gehen und behutsam hinzufühlen, was sich im Innern regt?

Werden Gefühle innerlich bewertet? Ist etwas erlaubt oder verboten, falsch oder richtig, angemessen oder unangemessen, lächerlich, überflüssig, sinnlos, kindisch, übertrieben, o.a.? Wer äußert sich wie dazu? Tragen einzelne Persönlichkeiten „die volle Ladung“? Dürfen sie sich erleichtern (lassen)? Was ist, wenn Emotionen eine „gemeinsame Angelegenheit“ werden?

Wie geht man mit neu erinnerten Aspekten um? Was ist, wenn sich ein Rätsel lösen lässt? Gibt es Fragen, die besser (noch) nicht beantwortet werden sollten? Wer beeinflusst auf welche Weise das Timing?

Wie viel Erinnerungsnachweh darf im Alltag Platz haben? Ist Erschöpfung gestattet? Bekommt auch der Körper Unterstützung, wenn er sich auf seine Art erinnert?

Wie können Gefühle einen Weg nach außen finden? Sind Tränen okay? Wohin mit der Wut? Was ist, wenn Worte fehlen? Stockt es genau dort, wo es kein Ventil gibt? Unterbricht der Prozess an der Stelle, wo man (sich) wieder alleine mit all dem ist/fühlt?

Hindurchquälen. Die Zähne zusammenbeißen. Augen zu und durch. Tapfer sein. Lächeln. Aufrecht stehenbleiben. Weitergehen. Sich nichts anmerken lassen.“ Wo wird nach alten Überzeugungen und Konditionierungen gehandelt? Wird das als Selbstverletzung erkannt? Lohnt sich die ganze Traumakonfrontation (der Blick auf das, was war), wenn im Verlauf immer wieder alte Mechanismen greifen und man letztlich im Sumpf steckenbleibt? Ist das Ziel der Arbeit Erleichterung oder Verhärtung- oder was?

So viele Fragen.

So großartig, wenn man damit nicht alleine bleiben muss. Weder innerlich, noch äußerlich.

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