Kontaktpunkte

Zum 25.November

©PaulaRabe

Gewalt gegen Frauen und Mädchen – gegen Menschen- ist sichtbar, hörbar, fühlbar, auch wenn die Betroffenen (noch) schweigen.

Was Du tun kannst?

Augen, Ohren, Herz auf!

Kopf einschalten, dich über Hilfsmöglichkeiten informieren!

Gewalt als Teil von Lebensrealität begreifen, aber niemals als gegebene Normalität sprachlos hinnehmen!

Dich solidarisieren, nicht nur rund um den 25.11., sondern jeden Tag!

#orangedays: https://www.instagram.com/p/CWsajZ4r67Q/?utm_medium=share_sheet

Herbstfarben und Dynamik

Für manche Menschen mit Erfahrungen ritueller und/oder organisierter Gewalt ist die “dunklere“ Jahreszeit krisenbelastet. Zum Einen können “schwere Gefühle“ auftauchen, zum Anderen auch traumatische Erinnerungen an gewaltvolle “Feiertage“. Täter*innen in einem ideologisch geprägten Kontext nutzen häufig bestimmte Tage/Daten für (spezielle) “Settings“- und für die Opfer kann es auch Jahrzehnte später noch sehr schwierig sein, die Gewalterinnerungen von den Daten zu entkoppeln.

Uns hilft es zur Zeit, die herbstlichen Farben in der Natur zu betrachten (beim Blick aus dem Fenster, beim Spazierengehen oder im Garten), Blätter beim langsamen Fallen/Trudeln und Vögel am Vogelhäuschen zu beobachten (Mister Eichelhäher ist besonders beliebt). Es tut uns gut, bunte Windlichter und Laternen zu gestalten, Steine und Stöcke zu bemalen, Herbstgemüse zu essen und uns in eine regenbogenfarbige Decke zu kuscheln. Wir haben die Badewanne als Chilloutzone für uns entdeckt, probieren verschiedene Düfte aus. Außerdem hören wir wieder mehr Musik, entdecken neue Sänger*innen und Bands, bewegen uns dazu. Wir achten darauf, zu frühstücken und ausreichend zu trinken und zu schlafen, die Heizung gut zu regulieren. Jeden Tag fokussieren wir uns mindestens ein Mal auf etwas besonders Schönes, verankern es innerlich und atmen frische Luft.

(Feier-)Tage kommen und gehen, Krisen kommen und gehen, innere und äußere Prozesse kommen und gehen. An etwas festzuhalten tut uns meistens nicht gut. Vertrauen wachsen lassen zu können, dass es schon “okay“ werden wird, egal, wie wann was kommt- das ist ein großes Geschenk für uns.

Täter*innen profitieren von Statik. Wir leben Dynamik.

Was tut Ihr denn so, damit es sich im Herbst oder “anderswann“ nicht (allzu) dunkel oder schwer in Euch anfühlt?

©PaulaRabe

Projekt „Verrückt? Na und!“

Wenn ich darüber nachdenke, wie viel Raum das Thema „psychische Gesundheit“ im Schulunterricht meiner Jugendzeit hatte, fällt mir dazu nichts ein. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in irgendeinem Schulfach jemals darüber gesprochen wurde, wie man dafür sorgen kann, psychisch im Gleichgewicht zu bleiben oder auch Krisen zu bewältigen.

Als ich vor kurzem das Projekt „Verrückt? Na und!“ des Vereins „Irrsinnig Menschlich e.V.“ kennenlernte, war ich berührt und beeindruckt. Ich habe mich so darüber gefreut zu erleben, wie engagiert, frisch, bunt und offen an der Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz junger Menschen gearbeitet wird.

„Irrsinnig Menschlich e.V.“ hat Angebote für Schulen, Hochschulen und Unternehmen entwickelt. Ich habe am Ausbildungsworkshop für das Projekt „Verrückt? Na und!“ teilgenommen:

Methodisch und inhaltlich ist es so aufbereitet, dass es sich für Jugendliche und junge Erwachsene ab 14 Jahre in Schule und Berufsschule, sowie für deren Lehrkräfte eignet.

In diesem Projekt gestalten zwei Expert*innen („fachlich“ und „persönlich“, d.h. jemand mit pädagogischer Ausbildung und jemand mit Erfahrungsbackground psychischer Erkrankung/Krise) gemeinsam mit den Jugendlichen einen Schultag zum oben genannten Thema.

Der Tag besteht aus drei Teilen:

– Ansprechen statt Ignorieren: Wachmachen für seelisches Wohlbefinden in Schule und Ausbildung. Ausgangspunkt sind die Lebenserfahrungen der Teilnehmer*innen. Häufige Themen: Schulleistungen, Prüfungsstress, Mobbing, Süchte, Belastungen in der Familie, Krankheit, Suizid.

Glück und Krisen: Von Lebensschicksalen und eigener Verantwortung; vom Nothilfe-Koffer für seelische Krisen bis zum achtsamen Miteinander in der Schulgemeinschaft.

Mut machen, Durchhalten, Wellen schlagen: Austausch mit und Lernen von jungen und jung gebliebenen Erwachsenen, die seelische Krisen gemeistert haben

Gesprächsrunden, Kleingruppenarbeiten, Spiele, u.a. regen den Austausch an und öffnen Türen- das habe ich während der Hospitation in einer 9.Klasse erleben dürfen. Ich war überrascht und beeindruckt, wie offen die Jugendlichen über eigene Belastungen und die nahestehender Menschen gesprochen haben, wie respektvoll und tolerant die Atmosphäre war und wie kreativ und motiviert Ideen und Problemlösungen entwickelt wurden. Psychische Erkrankungen und darauf bezogene Stigmata konnten thematisiert und geklärt werden, Selbstfürsorge bekam einen ziemlich coolen Anstrich, weinen war okay und lachen auch. Als eine der beiden Expertinnen über ihre persönlichen Erfahrungen mit Depressionen und posttraumatischer Belastungsstörung erzählte, hörten die Jugendlichen interessiert und emotional bewegt zu und stellten anschließend spannende Fragen.

Ich habe während des ganzen Ausbildungsworkshops und besonders während der Hospitation immer wieder gedacht: Wie schade, dass es so etwas nicht schon damals in den Achtzigern oder Neunzigern gab- und wie großartig, dass es jetzt in den Lehrplan mit aufgenommen werden kann, die Psyche genauso wie den Körper in den Fokus zu nehmen.

Für mich selbst habe ich feststellen müssen, dass die Arbeit mit/in einer Schule, bzw. Schulklasse, meine Reizfilter überfordert. Meine Sinne und meine Emotionen sind für so einen Kontext nicht „stabil“ genug.

Unabhängig davon möchte ich „Verrückt? Na und!“ gerne Jugendlichen, Lehrkräften und anderen fachlichen und persönlichen Expert*innen ans Herz legen!

Dissoziation und Diagnostik

Ich glaube, dass Diagnostik gleichermaßen über- wie unterschätzt wird.

Hiermit könnte ich den Text eigentlich auch direkt wieder beenden, weil eigentlich alles gesagt ist. Aber.

Wenn Traumafolgen wie z.B. Dissoziationsphänomene mit einem Leidensdruck und Einschränkungen im Alltag verbunden sind, kann es wichtig sein, dass Leute, die sich damit auskennen (sog. Fachleute), einen Blick drauf werfen. Es kann helfen, über das eigene Erleben zu sprechen und vom Gegenüber unterstützt zu werden, Verständnis dafür zu entwickeln: „Aha, da ist was los bei mir, das seine eigene Logik, Gründe und System hat. Aha, man kann es mit diesen und jenen Begriffen einrahmen. Aha, es gibt Möglichkeiten, einen Umgang damit zu finden. Da und dort könnte ich versuchen anzudocken.“

Nicht jedes Trauma hat eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge. Nicht alle Menschen mit einer PTBS haben die gleichen Symptome in gleicher Ausprägung. Nicht jede Dissoziation hat „Krankheitswert“ und nicht jede „Arbeit mit inneren Anteilen“ bezieht sich auf eine Dissoziative Identitätsstörung.

Obwohl ich einerseits meine, dass Diagnosen irgendwie „nichts“ (über einen Menschen) aussagen, finde ich gleichzeitig, dass man sie nicht verwurschteln sollte. Mich nerven inflationäre, unkorrekte Gebrauchsweisen von Begriffen: Wenn schon jemand Wörter wie „Flashback“, „Trigger“, „traumatisiert“ oder „mind control“ benutzt, dann doch bitte „richtig“, d.h. bewusst gewählt und sauber definiert.

Wenn Psychiater*innen o.a. Diagnosen verschriftlichen, kann daraus ein belastender, diskriminierender Stempel mit sozialen, beruflichen, zwischenmenschlichen, individuellen Konsequenzen werden. Diagnosen können falsch, unvollständig, grob fahrlässig sein. Im Idealfall hat man soviel Selbst-Verständnis und Selbst-Wahrnehmung, dass man erkennen kann, wenn die Begrifflichkeiten sich nicht stimmig anfühlen- und dann auch so viel Kraft, Informationen und Unterstützung, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Im schwierigen (Normal-)Fall ist man sowieso schon verunsichert, ratlos, planlos, verängstigt, möglicherweise auch anfällig für manipulatives Einwirken von außen: Und zieht sich dann eine Diagnose an wie einen zu kleinen Schuh.

Man läuft dann erst mal weiter mit diesem Schuh, spürt eventuell, dass er nicht richtig passt, vielleicht aber auch nicht. Man humpelt, versucht zu verstehen, warum das Gehen möglicherweise noch schwerer fällt als vorher- und denkt, es könnte am schiefen Gangmuster liegen. Oder daran, dass man sich nicht ausreichend bemüht. Oder daran, dass man schon immer irgendwie „doof gelaufen“ ist. Am Schuh, in den man hineingepresst wurde, zweifelt man (im schwierigen Fall) erst mal nicht. Das kann auch dazu führen, dass man irgendwann denkt, er wäre wie für einen gemacht.

Das ist es, was ich anfangs meinte: Eine Diagnose kann über- und unterbewertet werden. Es kommt darauf an, wofür sie gebraucht wird.

Nur weil Dir irgendwann mal irgendjemand mit Titel bescheinigt hat, dass ein bestimmter Begriff zu Deiner Symptomatik, Deinem Erleben passt, muss dieses Wort kein Teil Deiner Identität werden. Die Welt könnte gut ohne Diagnose-Begriffe existieren, wenn „gesund“ und „krank“ keine Unterscheidungsmerkmale mehr zwischen Menschen wären.

Die genaue Diagnostik bei dissoziativen Störungen nach Traumaerfahrung(en) halte ich dennoch für wichtig. Und zwar deshalb, weil sie für mich etwas mit Anerkennung, Ernsthaftigkeit und gesellschaftlicher (Mit-)Verantwortung zu tun hat.

Dissoziative Störungen können verschiedene Ausprägungen und Formen haben, können einen Menschen massiv in seinem (Er-)Leben behindern. Entstehen sie im Kontext von Gewalterfahrungen sind sie ein Schädigungssymptom- ein Ergebnis einer oder mehrerer Beschädigungen! Hierbei genau zu schauen, welche Bezeichnungen passend sein können, genau zu untersuchen und zu besprechen- das ist für mich eine Art von Würdigung. Wenn jemand einen Autounfall überlebt hat und im Schockraum des Krankenhauses liegt, hakt man (im Idealfall) ja auch nicht einfach nur das gebrochene Bein und die Platzwunde am Kopf ab, macht einen Strich darunter und schreibt „Unfallopfer“ hin, sondern man beleuchtet genau, was wo in welchem Umfang desweiteren beschädigt wurde und welche Behandlung gebraucht wird.

Und da ich ja schon entschieden hatte, diesen Text nicht schon nach dem ersten Satz enden zu lassen, möchte ich noch folgenden Aspekt hinzufügen:

Dissoziationen machen auch vor Diagnostiksitzungen nicht halt.

Wenn ich nicht weiß, dass ich Amnesien habe, verneine ich die Frage danach. Wenn ich mich schäme, antworte ich nicht offen. Wenn ich Persönlichkeitswechsel habe, kann ich einen Fragebogen x-fach unterschiedlich ausfüllen. Wenn ich Gewalt erlebt habe, rieche, spüre, fühle ich auch psychiatrische (Deutungs-)Gewalt- und reagiere mit entsprechenden Mustern darauf. Wenn ich Angst vor meiner Wahrheit, der Realität habe, male ich vielleicht schön.

Und: Prozentangaben auf Fragebögen umkringeln zu müssen, Zahlen ankreuzen oder Skalen beschriften zu müssen (wie häufig passiert Dir dies und jenes?) widerspricht meiner Ansicht nach jeglicher Logik im Verständnis von Dissoziationsphänomenen.

Mit sich allein sein

„Es ist zu laut, zu voll, zu viel, zu schnell, überfordernd, beängstigend, nervig, anstrengend, dissoziationsfördernd…“ – diese Wahrnehmungen können im Alltag signalisieren: „Ich brauche eine Auszeit.“

Man spürt, wie wichtig es ist, Erholung und Stärkung zu erleben, wieder mehr mit sich in Kontakt zu kommen. Da ist (plötzlich) dieser Break, dieser Knack-, Riss-, Springpunkt, an dem nichts mehr geht: Nicht mehr sprechen wollen, keine Bewegung, kein Geräusch, keine Aufgabe, kein Kontakt. Einfach nur Ruhe haben wollen und müssen.

Manchmal merkt man an verschiedenen Symptomen, dass man sich selbst schon längere Zeit vergessen oder verloren hat. Gerade die Dissoziationsskala zeigt ja verschiedene Möglichkeiten: Von der sich einschleichenden Depersonalisation oder Derealisation, über häufiger werdende Persönlichkeitswechsel, bis hin zu dissoziativen Krampfanfällen oder Fugue-Episoden. Aber auch andere Signale wie Schlafstörungen, Depressionen, Schmerzzustände, psychosomatische Beschwerden, emotionale Instabilität, Taubheitsempfinden oder Essprobleme können darauf hindeuten, dass man dringend Zeit mit sich allein bräuchte.

Aber: Nur weil man bereits verstanden hat, was helfen könnte, wieder mehr Stabilität zu erleben, heißt das noch lange nicht, dass man es auch immer umsetzen kann.

Mit sich sein. Keine Ablenkung durch außen. Äußere Ruhe aushalten, um nach innen hören/sehen zu können. Gefühle wahrnehmen, die spürbar werden. Realisieren, wie wenig Innenkommunikation/ Innenkontakt in der letzten Zeit stattgefunden hat und wie wichtig es wäre, das zu verändern. Sich auf sich selbst zurückgeworfen fühlen. Einsamkeit?

Gerade nach Bindungs- und/oder Gewalttraumatisierungen in der Kindheit ist „Alleinsein“ etwas, das sich auch im Erwachsenenalter noch sehr bedrohlich anfühlen kann. Das Gefühl, sich aufzulösen, wenn da niemand oder nichts zum Andocken im Außen ist: Manchmal kann es sich schon unerträglich anfühlen, einfach das Telefon eine Weile auszustöpseln oder das Handy wegzulegen, die Musik auszuschalten oder eine Verabredung abzusagen.

Die Angst davor, kontaktlos zu sein oder zu bleiben, oder Beziehungen für immer zu verlieren, kann ziemlich tief verankert sein und sich immer wieder regen, wenn man vor hat, sich mal kurz- oder langfristig ausschließlich auf sich selbst zu fokussieren.

Da zeigt sich eine Ambivalenz: Einerseits überfordert und überreizt (z.B. getriggert) von/durch Menschen zu sein und Abstand zu brauchen, andererseits aber „nicht ohne sie zu können“, weil es sich anfühlt wie ewiges Fallen oder Zerbrechen.

An einem ungestörten, sicheren Platz zu sein, ohne Zeitdruck, ohne Anforderungen von außen; sich Raum zu nehmen, genauer hinzuhören, hinzufühlen, hinzusehen, was eigentlich im Innern los ist, was sich zeigen möchte, welche Bedürfnisse es gibt, usw.; innere Begegnungen und Erkenntnisse zuzulassen– selbst wenn man absolut kapiert hat, wie wichtig das für das eigene Wohlbefinden, die Traumaverarbeitung, die Stabilität im Leben ist: Diese „Allein-Momente“ sind oftmals gefühlsmäßig eben keine paradiesischen Situationen mit Cocktail, Keks und Sonnenschein, sondern Konfrontationen mit hartem Tobak, der zugunsten eines funktionierenden Alltags immer wieder innerlich „weggepackt“ wird.

Genau deshalb schiebt man solche Innenfokus-Zeiten ja auch gerne auf- weil man weiß oder ahnt, dass da Zeugs hochkommen wird. Zeugs. Ihr wisst schon.

Selbstverständlich gibt es auch gefeierte „mit sich sein“-Situationen, die einfach nur toll sind, weil man endlich Dinge tun kann, die allein besonders schön sind und weil man spürt, wie sehr man dabei auftankt. Und auch Innenkontakte können dabei entstehen, die Freude machen, trösten, ermutigen, miteinander verbinden. „Alleinsein“ gestalten, ohne sich einsam zu fühlen und ohne alte Traumagefühle wieder zu reaktivieren- sowas geht natürlich auch!

Wenn wir als Viele-System uns in unser Zimmer zurückziehen und die Tür schließen, können daraus verschiedene Konstellationen entstehen: Zum Beispiel sind dann Einzelne da, die es sehr genießen, ihre Ruhe zu haben und die sich auch vom Innenleben abschirmen können. Oder es sind Mehrere gleichzeitig da und „tun“ etwas zusammen: Einfach nur dasitzen und sich wahrnehmen, oder malen, oder lesen, oder irgendwie denken… Oder der Körper legt sich hin und es entsteht ein innerer „Prozess“ und es ist niemand so richtig „draußen“. Oder irgendjemand findet eine unheimlich bequeme Körperposition und plötzlich schlafen wir und werden irgendwann wach und fühlen uns ausgeruht, o.a.…

Manchmal kann es Hilfsmittel geben, die dabei unterstützen, sich nicht „traumatisch allein“ sondern „sicher und möglichst entspannt allein“ zu fühlen: Die besten Hilfsmittel sind für uns meistens unsere Katzen, wenn eine (oder beide) einfach mit im Zimmer liegt und döst; für manche sind es auch einzelne Kuscheltiere, das geöffnete Fenster (frische Luft), ein angenehmer Duft, ein leckerer Tee, eine leichte Bewegung (wippender Fuß, Fell streichelnde Hand, Schaukeln/Wippen, o.a.), eine nur angelehnte Zimmertür, o.a. Das gestaltet sich immer wieder unterschiedlich.

Es geht vor allem darum, Sicherheit wortwörtlich zu ver-innerlichen:

Wir sind mit uns okay.

Uns geschieht mit uns selbst nichts Schlimmes.

Wir können Verbundenheit mit uns selbst fühlen.

Wir erfahren (auch) Hilfe in schwierigen Situationen, wenn wir uns auf uns beziehen.

Wir können uns auf uns verlassen.

Wir sind uns wichtig.

Wut ist kein Privileg der Täter*innen!

Wütend sein können muss man sich zum Teil hart erkämpfen. Nach Gewalttraumatisierungen schütteln sich Überlebende oftmals dieses Gefühl nicht gerade aus dem Ärmel, sondern arbeiten daran, es sich „erlauben“ zu können. Nicht mehr davon getriggert zu sein, sich nicht abschrecken zu lassen von den Erinnerungen an die Wut, den Hass, die Machtgelüste, den Zerstörungsdrang der Täter*innen. Die eigene Wut spüren zu können, sie zuzulassen, sichtbar werden zu lassen: Das ist Teil eines langen Entwicklungsweges.

Wie kann mit Wut konstruktiv umgegangen werden, in einer Form, die nicht selbstverletzend ist?

Hier kommen ein paar Ideen:

Sport, Bewegung: z.B. boxen, Trampolin springen, tanzen, laufen/rennen, Fahrrad fahren, Holz hacken, u.a.

singen, rappen, schreien, sprechen, fluchen, weinen, schluchzen

Graffiti sprühen

laut Musik hören (z.B. über Kopfhörer)

schreiben (z.B. Wutbriefe), malen, etwas bauen (und dann evtl. kaputt machen)

die Wohnung umräumen/umgestalten

sich politisch engagieren, demonstrieren/protestieren, eine Gruppe gründen

alte Bücher (z.B. Telefonbücher) oder Klamotten zerreißen

aussortieren

Lärm machen

Rachegedanken schmieden (Die Gedanken sind frei!)

sich beschweren, klagen, Recht einfordern

….

Was hilft Euch im Umgang mit Wut? Hinterlasst gerne Rückmeldungen!

Trauma, Erinnern und Verstehen

Manchmal ist es ein Geruch, der etwas Altes innen aufbrechen lässt. Manchmal wird durch irgendetwas ein Flashback ausgelöst und man ist wieder mittendrin im Trauma und nicht mehr orientiert im Hier und Jetzt. Manchmal sind es die Emotionen, die die Vergangenheit widerspiegeln und manchmal ist es der Körper, der sich erinnert.

Trauma zeigt sich nicht immer mit einem lauten Knall, dramatisch sichtbaren Phänomenen, vielen Tränen und Zusammenbrüchen. Gewalt wird nicht immer in albtraumhaften Details erinnert.

Manchmal schleichen Gewalttraumatisierungen und deren Folgen eher lange Zeit durch´s Leben, statt zu trampeln.

Nicht immer hat man sofort ein Bewusstsein dafür, woran man sich konkret erinnert. Zum Teil mag es erkennbare Bilder(fetzen) geben, zum Teil auch nur innerlich herumwabernde „Aspekte von etwas“.

Vielleicht klärt sich im Laufe der Zeit etwas auf, wird einsortierbarer. Vielleicht muss man auch mit manchen Fragezeichen leben, die sich immer wieder zeigen, aber nicht (niemals?) genau beantwortet werden können.

Genau jene Trauma-Elemente, die lange (immer?) unklar herumwabern, können den Alltag, die Gesundheit, die Zukunftsperspektive, die Stabilität u.a. sehr beeinträchtigen. Sie können auf verschiedenen Ebenen Symptome verursachen und immer wieder auftauchen. Es lohnt sich unserer Erfahrung nach sehr, (therapeutisch) an der Sortierung und Zusammensetzung zu arbeiten. Es kann trotzdem sein, dass für manche Puzzlestücke einfach kein Verbindungsteil gefunden wird.

Und dann?

Uns hilft es, dem „wabernden Zeugs“ eine Form und einen Ausdruck zu geben. Oftmals fehlen Worte, um „es“ beschreiben zu können. Dann könnte etwas Kreatives versucht werden: Malen, basteln, bauen, gestalten, kneten, kleben, o.a.

Vielleicht wird es vor allem körperlich wahrgenommen, dann könnte der Körper etwas damit tun: Welchen Impuls gibt es dazu? Bewegung, Ruhe, Sport, schaukeln, schlafen, hüpfen, schwingen, schwimmen, sitzen, liegen, Wärme, Kälte, berührt werden, gehalten werden? Wodurch wird es „besser“?

Wabert es in Form von bestimmten Überzeugungen und Gedanken? Zum Beispiel: Ich bin schlecht/wertlos, alle sind gegen mich, ich bin Schuld, ich kann nichts, o.a.?

Kommen die Gedanken wie aus dem Nichts, oder sind sie unterschwellig immer da, expandieren aber in manchen Momenten besonders, ohne zuordnen zu können, weshalb?

Für uns ist es hilfreich, das Gegenteil von dem zu tun, was diese Gedanken/Überzeugungen „wollen“: Bei selbstabwertenden, selbstbeschimpfenden Gedanken eben NICHT in die Selbstverletzung oder in Isolation zu bleiben, sondern bewusst etwas für das Wohlbefinden zu tun und auch in Kontakt mit liebevollen, vertrauenswürdigen Menschen zu gehen.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich dann auch mehr zeigen kann, was hinter diesen Überzeugungen steckt: Nämlich meistens sehr viel Schmerz, Trauer und Verletzung. Darum können wir uns dann kümmern. Und dort hört es dann auch oftmals auf zu wabern und es entsteht Klarheit.

Ist es gewollt, traumatischen Inhalten mehr Kontur zu geben, das heißt, mehr Überblick (Was ist passiert? Woran erinnert es uns gerade?), kann es unterstützend sein, immer wieder aufzuschreiben, was wann wahrgenommen wird, OHNE den Anspruch an Vollständigkeit und Richtigkeit zu haben. Das, was da ist- das, was sich zeigt- ist wichtig. Punkt. Es darf erst mal alles gesammelt werden, auch wenn (zunächst) nichts so richtig zu passen scheint. Sortiert wird später.

Bedeutsam kann es auch sein, sich immer wieder zu erlauben, „Fehler“ zu machen. Vielleicht stellen sich manche erinnerte Aspekte oder Schlussfolgerungen im Laufe der Zeit als unstimmig heraus und man erlebt eine innere Korrektur. Das ist unserer Ansicht nach ein normaler Prozess und kein Zeichen für „Lüge“, Künstlichkeit oder Suggestion.

Vielleicht bleibt ein triggernder Duft auch dann noch triggernd, wenn man herausgefunden hat, welche Erinnerungen er aktiviert. Für uns ist der Umgang damit dann aber leichter, weil wir etwas darin verstanden haben.

Verstehen scheint der Schlüssel für Vieles zu sein.

Schritte mit und zur Selbstbestimmung

Besonders Überlebende ritueller/organisierter Gewalt sind mit dem Gebot des bedingungslosen Gehorsams aufgewachsen und mit dem Gebot des Schweigens. Innerhalb einer solchen Gruppierung wird das Auflehnen oder sich Widersetzen gegen diese Regeln mit schwersten Bestrafungen und Todesdrohungen belegt. Teilweise wird den Betroffenen vorgeführt, was mit „Aussteiger*innen“ passiert, die sich nicht an die Bestimmungen halten.

Das heißt, man erfährt am eigenen Leib durch Folter, wie „absolut“ die Fügsamkeit sein muss und was einen erwartet, wenn man sich widersetzt- und man erlebt als hilflose*r Zeuge/Zeugin die Gewalt gegen andere Menschen, die sich nicht im Sinne der Gruppe verhalten haben.

Insofern ist es für Überlebende ein absoluter Meilenstein, wenn sie sich im Außen zum ersten Mal an helfende Institutionen wenden oder im Kontakt mit der Umwelt mehr von sich und der eigenen Vergangenheit zeigen. Und indem sie das tun, verhalten sie sich selbstbestimmt– besonders auch dann, wenn sie evtl. noch in einem Kontakt mit den Täter*innen stehen und Bewusstseinskontrolle immer wieder greift und Austausch unter den Innenpersonen wenig funktioniert. Trotz aller innerer und äußerer Blockierungen mit Menschen zu sprechen und sich in einer Therapie auf einen Traumaheilungs-, bzw. -bearbeitungsweg zu machen, zeigt persönliche Freiheit, eigene Gedanken und eigenen Willen!

Wir haben immer wieder selbst erlebt und von anderen Betroffenen und Unterstützer*innen gehört und gelesen, wie wichtig die Orientierung und Verankerung im Leben außerhalb der Täter*innengruppierung ist. Neue Erfahrungen zu machen, die die eingetrichterten „Kult-/Gruppenregeln“ als im Hier und Jetzt unzutreffend / unpassend korrigieren, ist ein ganz wichtiger Baustein für die Entwicklung eines eigenen (!) Lebens. Diese neuen Erfahrungen liegen für uns vor allem im Bereich der Beziehungsgestaltung und Bindung an andere Menschen. Vertrauen, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Grenzen, Streitkultur, Authentizität, Fürsorge und heilsamer Körperkontakt sind für uns die wichtigsten und nötigsten Elemente, die uns in unserem heutigen Leben Fuß fassen lassen. Jede Innenperson hat dabei ein eigenes Tempo- allerdings muss es so etwas wie eine gemeinsame Entscheidung geben, sich auf diesen Weg machen zu wollen, der absolut konträr zum vorgegebenen Weg der Täter*innengruppierung liegt.

Wir wünschen allen Überlebenden Wertschätzung und Anerkennung für diese grundlegende Entscheidung und alle damit verbundenen Schritte.

Rechtliche Aspekte zur Lebenssicherung im Ausstieg

Wir möchten hier rechtliche Aspekte beschreiben, die für unsere „Lebenssicherung“ beim „Ausstieg aus einer organisierten Gruppierung“ wichtig waren.

Wir veranlassten drei Vorgänge zeitgleich, nachdem wir nach einem Frauenhausaufenthalt mehrere hundert Kilometer weit weggezogen waren vom „Täter*innen-Dunstkreis“ (in eine sozialpädagogisch betreute WG):

1.) öffentlich-rechtliche Namensänderung:

Im Rahmen unserer äußeren und inneren Distanzierung vom organisierten Kreis der Gewalt-Täter*innen entschieden wir uns, unseren Vor- und Nachnamen ändern zu lassen. Der Vorgang wurde vom Standesamt bearbeitet, dazu mussten wir einen Antrag stellen und eine Begründung vorlegen, weshalb der Geburtsname für uns unzumutbar war. Unsere Psychotherapeutin formulierte in einem Schreiben, dass aufgrund familiärer Gewalterfahrungen die permanente Konfrontation mit dem traumatisch belegten Namen zu psychischer Destabilisierung führte. Desweiteren ergänzten wir, dass wir Strafanzeige gegen Täter*innen erstatten würden und in dem Zusammenhang eine Änderung des Namens aus Schutzgründen notwendig sein würde.

Die Bearbeitung des Antrages dauerte ca. 3 Monate, dann erhielten wir unsere Namensänderungsurkunde und mussten damit natürlich auch weitere Personalien (Personalausweis, Führerschein, Krankenkasse, Zeugnisse, u.a.) anpassen lassen.

Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie viel die Namensänderung gekostet hat, ich meine, es waren ca. 300 Euro. Das ist von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich. Hinzu kommen die Gebühren für den neuen Pass, Führerschein, u.a. Damals finanzierte uns der „Weisse Ring“ diesen ganzen Prozess.

Bezüglich der äußeren Schutzeffekte möchten wir zu bedenken geben, dass es viele Sicherheitslücken geben kann: In unserem Fall dauerte es keine zwei Wochen, da war der neue Name durch eine nachlässige Sachbearbeiterin der Kindergeldkasse an einen Täter weitergegeben worden.

Wenn ein*e Betroffene*r sämtliche Verbindungen zu (familiären) Täter*innen kappen möchte, reicht eine Namensänderung als Schutz nicht aus.

Kritische/Gefährliche Punkte können zum Beispiel eine Familien- o.a. Versicherung (z.B. private Krankenkasse: Ist man über die Eltern privat versichert, erhalten diese Kenntnis von jedem Arzt-/Ärztinbesuch, jeder Medikamentenverordnung, jeder Therapiebeantragung, u.a.), Bafög-Bezug o.a. finanzielle Abhängigkeiten, ärztliche Versorgung (ggf. Patient*innenverfügung aufsetzen und Familienmitglieder ausdrücklich darin ausschließen!), u.a. sein.

Nicht zu vergessen ist selbstverständlich auch die innere Gefährdungslage: Gibt es emotionale/innerpsychische Verbindungen, die dazu führen können, dass doch wieder Kontakt zu Täter*innen aufgenommen wird? Wie kann man sich schützen?

Ein neuer, selbstgewählter Name kann ein Akt der Selbstermächtigung und Befreiung sein.

2.) Strafanzeige:

Vor Erstattung der Strafanzeige wurden wir anonym von einer Kriminalkommissarin über den Ablauf eines Strafverfahrens und Zeugenschutzprogramms informiert.

Wir wurden mehrfach vom Landeskriminalamt vernommen (immer mit Audioaufnahmen, zwei Mal zusätzlich mit Videoaufzeichnungen). Alle Tatdetails sollten so genau wie möglich ausgesprochen werden: Namen, Orte, Daten, genaue äußere und inhaltliche Beschreibungen, Tatvorgänge. Dissoziative Amnesien und Ungenauigkeiten wurden realisiert und vermerkt und in den Kontext einer Traumafolgestörung einsortiert. Den befragenden Beamt*innen war bekannt, dass wir eine Dissoziative Identitätsstruktur haben und dies wurde auch insofern berücksichtigt, als dass Wechsel bemerkt und kommuniziert, Innenpersonen ernst genommen und altersgemäß/situationsgerecht behandelt wurden.

Das Verfahren wurde juristisch von einem Anwalt mit Opferrechtfokus begleitet. Dieser wurde durch Prozesskostenhilfe und den „Weissen Ring“ finanziert. Es hätte auch die Möglichkeit einer psychosozialen Prozessbegleitung gegeben.

Nach der Erstattung der Anzeige und den Vernehmungen vergingen mehrere Jahre, bis wir zu einer aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsbegutachtung geschickt wurden. Diese fand an fünf Werktagen innerhalb einer Woche in einem anderen Bundesland statt.

Das Strafverfahren endete nach 12 Jahren mit einer Einstellung, deshalb können wir keine Informationen zum Ablauf/Inhalt eines Gerichtsprozesses geben.

Rückblickend denken wir, dass wir die Anzeige zu früh angegangen sind. Es standen uns noch nicht so viele genaue Gedächtnisinhalte wie heute zur Verfügung, die wir in unseren Vernehmungen hätten einbringen können. Außerdem war unser „DIS-System“ noch nicht sortiert und stabil genug, um nach außen konstant und belastbar gegenüber der Justiz re-agieren zu können.

Um als Opferzeuge*in einen Strafprozess bewältigen zu können, braucht es einen langen Atem, Stabilität, innere und äußere Sicherheit und gute, professionelle, langjährige (juristische und psychosoziale) Begleitung!

3.) Opferentschädigung

Hier findet Ihr einen Überblick zum Ablauf unseres Opferentschädigungsverfahrens.

Das Verfahren zog sich 12 Jahre hin, beinhaltete zwei psychiatrische Glaubhaftigkeitsbegutachtungen und stand in engem Zusammenhang mit dem Strafverfahren: Je weniger sich im Strafverfahren tat, desto schleppender gestaltete sich auch die Kommunikation mit dem zuständigen Versorgungsamt. Dort wurden zwei falsche Behauptungen vertreten: 1.) Ohne Strafverfahren keine Opferentschädigung und 2.) Vom Ablauf/Ergebnis des Strafverfahrens hängt die Entscheidung des Versorgungsamtes ab.

Beides stimmt so nicht: Zum Einen ist grundsätzlich ein OEG-Antrag auch ohne Erstattung einer Anzeige möglich (hier widersprechen sich leider Theorie und praktisches Vorgehen). Zum Anderen ist das Versorgungsamt zu selbstständigen Ermittlungen befugt/verpflichtet: Es kann/soll selbst Zeug*innen vernehmen, Sachverständige beauftragen, usw.- auch unabhängig von polizeilichen Aktionen.

Unserer Erfahrung nach macht es sich das Versorgungsamt gern bequem und tut nichts ohne massiven, hartnäckigen anwaltlichen Einsatz.

Wir würden Menschen, die beabsichtigen, einen OEG-Antrag zu stellen, dringend empfehlen, sich kompetente Begleitung zu suchen und sich auf ein langjähriges, belastendes Verfahren einzustellen.

Sowohl in Sachen OEG, als auch in Sachen Strafanzeige gelingt nichts ohne belastbare Beweise/Indizien und Zeug*innenaussagen. So frustrierend es auch ist: Es macht keinen Sinn, sich mit halbgarem, ungenauem, tätermanipuliertem Erinnerungsmaterial in solche Verfahren zu begeben und davon auszugehen, alle Beteiligten würden Rücksicht nehmen auf traumabedingte Dissoziationsvorgänge. Ohne Namen, Daten, Fakten, Belege keine Bewilligung und kein Urteil. So hart und so logisch ist das. Wir finden es wichtig, dass das nicht nur Betroffenen, sondern auch Helfer*innen bewusst ist.

Im Laufe der letzten 20 Jahren brauchten wir immer wieder finanzielle Unterstützung, um „Lebenssicherung“ schaffen zu können. Neben staatlichen Mitteln wie Hilfe zum Lebensunterhalt, Einzelfallhilfe, Prozesskostenhilfe, Übernahme von Wohnkosten im Frauenhaus u.a. haben wir Unterstützung über folgende Institutionen erhalten:

Weisser Ring:

Diese Institution gewährte uns finanzielle Unterstützung (Soforthilfe) bei der Namensänderung und dem Anwaltshonorar, für einen Umzug, eine „Erholungsmaßnahme“, Restkosten eines Klinikaufenthaltes (die die Krankenkasse nicht übernehmen wollte) und andere Therapiekosten, die keine andere Stelle bezahlen wollte.

Die Qualität der menschlichen und formellen Begleitung durch den „Weissen Ring“ hängt maßgeblich von der/dem jeweiligen Außenstellenleiter*in ab.

Hilfsfonds sexueller Missbrauch:

Einen Teil unserer therapeutischen Begleitung haben wir über Leistungen des Hilfsfonds sexueller Missbrauch finanziert. Auch hier gilt (wie beim OEG) das Prinzip der Nachrangigkeit: Erst wenn keine andere Stelle zahlt, zahlt der Hilfsfonds. Für die Beantragung muss man einen mehrseitigen Vordruck ausfüllen, in dem auch Fragen zu den Gewalterfahrungen gestellt werden. Außerdem muss man darlegen, unter welchen Folgen des Missbrauchs man leidet, welche Hilfsmittel man diesbezüglich beantragt und inwiefern diese geeignet sind, die Folgen zu lindern. Hierzu benötigt man auch eine ärztliche oder psychotherapeutische Stellungnahme. Es können Leistungen in Höhe von maximal 10.000 Euro beantragt werden, zusätzlich auch ein Mehrbedarf bei Behinderung in Höhe von maximal 5.000 Euro. Bei der Antragstellung können Beratungsstellen (z.B. Frauennotrufe) helfen.

Wir reichten unseren Antrag 2014 ein und warteten ca. 1 Jahr auf die Bewilligung. Die Auszahlung des Geldes an die Therapeutin durch den Hilfsfonds erfolgte relativ zügig. Heute sieht die Bearbeitungszeit von Anträgen und eingereichten Rechnungen jedoch deutlich anders aus: 2 Jahre Wartezeit sind keine Seltenheit.

Neben diesen beiden Institutionen gewährte uns auch eine Stiftung eine Zuwendung zur Sicherung der Fortsetzung unserer psychotherapeutischen Begleitung.

Eine Unterstützung zur Lebenssicherung hätte für uns auch die Möglichkeit zur anonymen Spurensicherung sein können. Gerade in Zeiten, in denen wir noch gewaltvollen Täterzugriffen ausgesetzt waren, aber noch nicht in der Lage waren, zur Polizei zu gehen, hätte es sinnvoll sein können, Spuren so zu sichern und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt verwenden zu können. Uns war damals diese Möglichkeit nicht bekannt.

Hula Hoop für die traumatisierte Mitte

Seit einigen Wochen freunden wir uns mit einem großen, grün-schwarz gestreiften Hula Hoop-Reifen an. Man sollte meinen, es dürfte nicht so kompliziert sein, nach einer Weile buchstäblich den Dreh raus zu haben und den Reifen oben halten zu können. Stellt jedoch der Bauch-Hüftbereich das Epizentrum eingefrorener Traumaenergie dar, sieht die Situation anders aus.

Wir haben folgende Erkenntnisse gewonnen:

1.) Ein großer Reifen ist leichter zu händeln, weil die Körperbewegungen dann langsamer sein können. Allzu schwer darf er jedoch nicht sein, dann verursacht er nämlich blaue Flecken.

2.) Hula Hoop klappt am besten, je weniger Kleidung die Haut bedeckt. Im Klartext: Mindestens bauchfrei und barfuß. Die Körperwahrnehmung ist dann intensiver, die Berührungspunkte des Reifens auf der Haut sind deutlicher spürbar.

3.) Ohne Musik geht nichts. Weiterlesen