Statusmeldung Essstörung: „Einigermaßen stabil“

Bei unserer Essstörung bedeutet „einigermaßen stabil“ eine Spanne von +/-15kg. „Stabil“ heißt für uns (laut BMI) „höheres Normalgewicht“. Noch nie waren wir im Unter-, oft im Übergewicht. „Eskalierende Essstörung“ mit deutlich höheren Gewichtszu- und abnahmen (+/-50kg) kennen wir auch sehr gut. Unser Körper verändert sich stetig, hat aber in jeder (!) Gewichtsphase sichtbare „Bindegewebsschwächen“, mit denen wir uns nur mäßig arrangieren können. Die massiven Schwankungen haben eben Spuren hinterlassen.

Um uns wohl zu fühlen, unserem Körper freundlich zu begegnen, „sicher“ am Sozialleben teilhaben zu können, Sport zu treiben und so auch „stabil essgestört“ zu bleiben, statt „eskalierend“, brauchen wir unter anderem passende Kleidung. Und ja: Unsere Geschmäcker und das jeweilige Wohlbefinden variieren (sehr).

Unsere Rettung in dem Dilemma ist der Sozialladen, in dem jedes Kleidungsstück 90Cent kostet. So ist es uns möglich, zu jeder Zeit passende Hüllen für unseren „formdiversen“ Körper zu haben.

Inzwischen trennen wir uns auch wieder von Klamotten, die viel zu klein für den aktuellen Stand sind (sie gehen zurück in den Second-Hand-Kreislauf)- denn sie befeuern das selbstabwertende Denken und Fühlen: Sich wieder in diese Hose, dieses Shirt reinhungern wollen/müssen, unbedingt M statt (X)L, usw. „Fettfeindlichkeit“ im eigenen Kopf, Bodypositivity am Arsch.

Viel zu kleine Klamotten im Schrank als gefühlte „Mahnmale des Versagens“, weil sie uns gerade nicht mehr passen, helfen uns eben nicht dabei, unsere Essstörung zu kontrollieren, sondern andersherum.

Wir möchten uns okay (oder sogar gut) mit/in uns fühlen, egal, welche Form unser Körper hat. Das ist innere und äußere Arbeit, die mal mehr, mal weniger erfolgreich verläuft – und die leider viel zu oft viel zu wenig wahrgenommen und anerkannt wird.

Leben mit Essstörung(en) ist nicht immer außen bemerkbar, zeigt sich nicht immer in Extremen und bringt ganz individuelle Herausforderungen und Folgen mit sich.

Wie sehen Eure „Statusmeldungen Essstörung“ aus? Vielleicht mögt Ihr ja was dazu kommentieren. 🙂

8 Kommentare zu „Statusmeldung Essstörung: „Einigermaßen stabil“

  1. Wir trauen uns nochmal.
    Das mit den Gewichtsschwankungen kennen wir total gut. Wir sind stark übergewichtig, haben aber auch Schwankungen von +/- 40 kg. Grade sind wir eher wieder am oberen Ende. Und wir haben zudem ein Lip/lymphödem. Wir können unserem Körper (noch) nichts Gutes abgewinnen und es fällt uns extrem schwer, diesen Körper zu akzeptieren (oder sollten wir besser sagen zu tolerieren).
    Und ja, dann die Klamotten zu haben, die wieder viel zu klein geworden sind, ist frustrierend.

    1. Wir verstehen das, glaube ich, ziemlich gut, wie schwer und belastend sich das für Euch anfühlen muss. Wir wünschen Euch doll, dass Ihr Möglichkeiten findet, Euren Körper Schritt für Schritt zu tolerieren oder vielleicht irgendwann auch zu mögen.

  2. „um stabil essgestört zu bleiben… brauchen wir ua passende Kleidung „, danke für diesen Impuls. Wir haben sooo oft so ein schlechtes Gewissen, wenn wir eher bequeme statt schicke Klamotten anhaben… Puh, da trefft ihr einen Nerv mit dem Thema: Kleidung bietet auch Sicherheit, also ein Gefühl von Sicherheit, im Sinn von Wohlfühlen im eigenen Körper (nicht gemeint als Sicherheit gegenüber Gewalt, die gibt es nicht, egal welche Klamotten)… Doch uns mehr sicher fühlen durch Klamotten, die wir eben durch und durch mögen…
    Unser aktueller Stand zum Thema Essstörung ist: Wir sind ca ein Jahr jetzt „Waage-frei“ und das tut richtig gut!! Unser Blick war so verhaftet auf die Zahl auf der Waage und jetzt geht es ums Sein mit dem Körper…. Zur Zeit ohne jeden Morgen eine Zahl zu sehen.

    1. Wow, da sagen wir gerne mal herzlichen Glückwunsch zu einem Jahr „Waage-frei“! Das ist toll, dass Ihr das als wohltuend erlebt.
      Und bzgl Kleidung: Es gibt ja auch äußere und innere Bewertungen dazu, welche Kleidung in welchem Kontext „(un)angemessen“ ist und wer was tragen „kann“ und was nicht. Das macht’s kompliziert. Wir wünschen Euch Klarheit und Selbst-Sicherheit mit Euch, wie Ihr Euch kleiden mögt und wie nicht.

  3. Hallo Paula,

    als stabil essgestört könnte n wir uns zzt ebenfalls bezeichnen, wobei wir schon fast jede Form der Essstörung seit unserer Jugend hinter uns haben. Seit ca 5 Jahren befinden wir uns nun mehr oder weniger auf einem konstanten Gewicht, das neutral betrachtet ca. 5 kg über der Norm liegt, für uns gefühlt aber eher 10 kg zu viel ist.
    Wirklich wohl gefühlt haben wir uns in unserem Körper aber noch nie, was nur zum Teil mit dem tatsächlichen Gewicht zu tun hat; da gibt es noch so viel mehr Aspekte. Wir würden eher sagen, wir haben uns mit unserem Körper abgefunden und bemühen uns, ihn möglichst pfleglich zu behandeln, was zugegebenermaßen nicht immer zufriedenstellend funktioniert.

    Sanne

    1. Danke für Eure Rückmeldung, Sanne! Das kennen wir auch, was Ihr beschreibt: Dass das Wohlbefinden mit dem Körper nur zum Teil mit dem Gewicht zu tun hat.
      Das Bemühen, den Körper pfleglich zu behandeln, ist schon eine große Sache, finden wir! Wenn das (regelmäßig) gelingt, statt konsequenter vielschichtiger „Selbstverletzung“, kann das manchmal schon das Maximum des Erreichbaren sein. Manchmal.
      Liebe Grüße an Euch!

  4. Liebe Paula,
    hier gibt es Gewichtsschwankungen in einem Bereich von ca. 20 Kilo. Ich glaube, dass wir nicht nur unterschiedliche Vorlieben beim Essen haben, sondern auch der Stoffwechsel sich ändert je nachdem, wer viel vorne ist. Angst verbraucht z.B. viele Kalorien, und wenn oft jemand mit viel Angst vorn ist, nimmt der Körper ab. Wenn der Körper schnell schwerer wird, hilft es, laut darüber zu sprechen, dass einige sich dann gar nicht mehr mit ihm arrangieren können, um die Gewichtszunahme zu begrenzen. Das Thema begleitet uns schon immer, aber wir haben eigentlich noch nie in Ruhe darüber nachgedacht. Danke für diesen Blog, auch für den letzten Beitrag zum Bild von DIS in den Medien. Es gibt ganz selten Texte, die uns so abholen wie die Kontaktpunkte. Alles Gute Daniela

    1. Hallo Daniela, herzlichen Dank für Eure Rückmeldung. Ihr kennt Gewichtsschwankungen also auch- und wie kompliziert das oft ist, damit klar zu kommen, es im Rahmen zu halten (wie auch immer er aussieht) und gleichzeitig freundlich mit sich zu sein … Viel innere Arbeit, stimmt’s?
      Wir freuen uns sehr, dass Ihr hier im Blog was für Euch mitnehmen könnt. Alles Gute auch für Euch!

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