Kontaktpunkte

Projekt „Verrückt? Na und!“

Wenn ich darüber nachdenke, wie viel Raum das Thema „psychische Gesundheit“ im Schulunterricht meiner Jugendzeit hatte, fällt mir dazu nichts ein. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in irgendeinem Schulfach jemals darüber gesprochen wurde, wie man dafür sorgen kann, psychisch im Gleichgewicht zu bleiben oder auch Krisen zu bewältigen.

Als ich vor kurzem das Projekt „Verrückt? Na und!“ des Vereins „Irrsinnig Menschlich e.V.“ kennenlernte, war ich berührt und beeindruckt. Ich habe mich so darüber gefreut zu erleben, wie engagiert, frisch, bunt und offen an der Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz junger Menschen gearbeitet wird.

„Irrsinnig Menschlich e.V.“ hat Angebote für Schulen, Hochschulen und Unternehmen entwickelt. Ich habe am Ausbildungsworkshop für das Projekt „Verrückt? Na und!“ teilgenommen:

Methodisch und inhaltlich ist es so aufbereitet, dass es sich für Jugendliche und junge Erwachsene ab 14 Jahre in Schule und Berufsschule, sowie für deren Lehrkräfte eignet.

In diesem Projekt gestalten zwei Expert*innen („fachlich“ und „persönlich“, d.h. jemand mit pädagogischer Ausbildung und jemand mit Erfahrungsbackground psychischer Erkrankung/Krise) gemeinsam mit den Jugendlichen einen Schultag zum oben genannten Thema.

Der Tag besteht aus drei Teilen:

– Ansprechen statt Ignorieren: Wachmachen für seelisches Wohlbefinden in Schule und Ausbildung. Ausgangspunkt sind die Lebenserfahrungen der Teilnehmer*innen. Häufige Themen: Schulleistungen, Prüfungsstress, Mobbing, Süchte, Belastungen in der Familie, Krankheit, Suizid.

Glück und Krisen: Von Lebensschicksalen und eigener Verantwortung; vom Nothilfe-Koffer für seelische Krisen bis zum achtsamen Miteinander in der Schulgemeinschaft.

Mut machen, Durchhalten, Wellen schlagen: Austausch mit und Lernen von jungen und jung gebliebenen Erwachsenen, die seelische Krisen gemeistert haben

Gesprächsrunden, Kleingruppenarbeiten, Spiele, u.a. regen den Austausch an und öffnen Türen- das habe ich während der Hospitation in einer 9.Klasse erleben dürfen. Ich war überrascht und beeindruckt, wie offen die Jugendlichen über eigene Belastungen und die nahestehender Menschen gesprochen haben, wie respektvoll und tolerant die Atmosphäre war und wie kreativ und motiviert Ideen und Problemlösungen entwickelt wurden. Psychische Erkrankungen und darauf bezogene Stigmata konnten thematisiert und geklärt werden, Selbstfürsorge bekam einen ziemlich coolen Anstrich, weinen war okay und lachen auch. Als eine der beiden Expertinnen über ihre persönlichen Erfahrungen mit Depressionen und posttraumatischer Belastungsstörung erzählte, hörten die Jugendlichen interessiert und emotional bewegt zu und stellten anschließend spannende Fragen.

Ich habe während des ganzen Ausbildungsworkshops und besonders während der Hospitation immer wieder gedacht: Wie schade, dass es so etwas nicht schon damals in den Achtzigern oder Neunzigern gab- und wie großartig, dass es jetzt in den Lehrplan mit aufgenommen werden kann, die Psyche genauso wie den Körper in den Fokus zu nehmen.

Für mich selbst habe ich feststellen müssen, dass die Arbeit mit/in einer Schule, bzw. Schulklasse, meine Reizfilter überfordert. Meine Sinne und meine Emotionen sind für so einen Kontext nicht „stabil“ genug.

Unabhängig davon möchte ich „Verrückt? Na und!“ gerne Jugendlichen, Lehrkräften und anderen fachlichen und persönlichen Expert*innen ans Herz legen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Entdecke mehr von Kontaktpunkte

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen