Peer- und Angehörigenberatung endet

Vor fünf Jahren fand unsere Idee, im Bereich „Dissoziative Identitätsstruktur“ Peer- und Angehörigenberatung per Email-Kontakt anzubieten, einen Ort, an dem das möglich wurde: Angebunden an die Beratungsstelle „Frauen helfen Frauen Stormarn e.V.“ arbeiten wir seitdem ehrenamtlich.

Die Finanzierung unserer Tätigkeit (Aufwandsentschädigung, Fortbildung) musste jedes Jahr aufs Neue bei verschiedenen Stiftungen, Vereinen, Behörden/Ämtern begründet und beantragt werden – eine Zusage über eine dauerhafte Absicherung gab es leider nicht.

Im Laufe der Zeit schauten wir uns hin und wieder auch nach möglichen Kolleg*innen mit Erfahrungsexpertise um, denn die Idee eines „Betroffenen-Teams“ in der Emailberatung erschien uns langfristig gesehen sinnvoll. Aus verschiedenen Gründen blieben wir letztlich aber doch die einzigen „Peer´s“ in der Beratungsstelle und gestalteten unser Projekt eigenverantwortlich.

Neben allem, was uns in diesen fünf Jahren im Kontakt mit Betroffenen, An-/Zugehörigen und Helfenden positiv berührt, bewegt, begeistert, inspiriert, motiviert, erfreut und gestärkt hat (und das war eine Menge!), gab es auch belastende Aspekte, die letztlich zu unserer Entscheidung geführt haben:

Wir beenden die Peer- und Angehörigenberatung zum 31.12.2025.

Zum Einen war und ist die Finanzierungsfrage kompliziert, anstrengend und frustrierend: Es wurde im Laufe der Jahre nicht leichter, eine*n Geldgeber*in zu finden- und die Zukunft sieht für solche sozialen Projekte nicht gerade rosig aus. Unsere zeitlichen und energetischen Kapazitäten in einem Ehrenamt sind begrenzt- und Finanzierungsgedöns frisst zu viele Arbeitsstunden und vor allem Nerven.

Zum Anderen -und das ist ein noch wichtigerer Aspekt- merken wir inzwischen deutlich unsere Erschöpfung. Ohne Peer-Kolleg*in zu arbeiten bedeutete auch, jede Mail alleine zu lesen und zu beantworten. Auch jene, die die Rahmenbedingungen sprengten, triggerten, grenzüberschreitend, sehr durcheinander, sehr umfangreich oder sonstwie herausfordernd waren. Auch jene, bei denen wir mit einer möglichen Suizid-, Selbst-, Fremd- oder Kindeswohlgefährdung konfrontiert waren. Oder jene, in denen beschrieben wurde, wie Ausstiegsversuche scheiterten, Hilfenetze zusammenbrachen, Freund*innen oder Partner*innen sich zurückzogen. Wir nahmen Anteil an Ohnmacht, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Wut, Verzweiflung- und antworteten tatsächlich auf alles, was uns erreichte. Nicht von einem Büro aus, wo wir mal eben schnell eine*n Peer-Kolleg*in um Rat hätten fragen oder uns austauschen können, sondern aus dem sogenannten „home office“, immerhin mit Katzensupport auf dem Schoß (und der Möglichkeit der regelmäßigen Intervision mit Beratungsstellen-Mitarbeiterinnen).

Wir möchten unsere Arbeit gut machen. Das können wir nicht, wenn wir zu erschöpft sind und wenn die Rahmenbedingungen nicht (mehr) stimmen. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass wir zum Jahresende diesen Schlusspunkt setzen und uns dann Zeit nehmen, Neues zu überlegen und zu entwickeln.

Allen, die uns ihr Vertrauen geschenkt und sich auf den Austausch mit uns eingelassen haben, danken wir sehr herzlich!

Wir wünschen uns und allen anderen Betroffenen, An-/Zugehörigen, professionell und privat Unterstützenden mehr Anlaufstellen, mehr Vernetzung, viel Kraft, Hoffnung, Freiraum und immer wieder die eine oder andere freundliche Pfote an ihrer Seite.

8 Kommentare zu „Peer- und Angehörigenberatung endet

  1. Liebe Paula,

    wir finden es traurig, dass ihr letztlich mit eurer so wertvollen Arbeit so eine Einzelkämpferin sein musstet und die Einrichtung an die ihr angegliedert wart euch mit vielen so allein gelassen hat, dass es euch letztendlich zu viel abverlangt hat.
    Wir finden eure Entscheidung selbstverantwortlich und stark und wünschen euch, dass ihr Raum und gute Wegbegleiter an eurer Seite habt, um eure Energiereserven wieder auf zu füllen

    LG Sanne

    1. Liebe Sanne, danke für Eure lieben Worte. Ich möchte anmerken, dass ich mich nicht alleingelassen fühlte und fühle von der Einrichtung! Wir hatten dort Intervision u.a. und konnten über unsere Belange sprechen! Was uns letztlich gefehlt hat, waren Peer-Kolleg*innen (!), denn das ist noch mal was anderes, sich in so einem Betroffenenkreis austauschen zu können als unter Kolleginnen, die eben keine Peerarbeit anbieten, sondern sozialpädagogische/therapeutische Beratung. Versteht Ihr? Liebe Grüße von uns

  2. Liebe Paula,
    wir wünschen dir, dass du ein gutes Gefühl zu deiner Entscheidung hast und behalten kannst und Raum und Kraft und Ruhe findest, um Neues zu überlegen und zu entwickeln.
    Es ist eine harte Zeit und es ist so gut, wenn du auf dich achtest.
    Danke für deine Arbeit, dein Dasein, dein Mitteilen und dein Auf-dich-achten.
    Wir möchten gerne weiter von dir lesen.
    VlG

  3. Ja das verstehen wir natürlich auch sehr gut. Dass ihr Intervision mit den Kolleginnen hattet und euch im Kreis der Kolleginnen nicht allein gelassen gefühlt habt ist gut. Ich hatte euch an einer Stelle nur so verstanden, dass ihr euch z.b. auch selber um die Weiterfinanzierung eures Ehrenamtes kümmern solltet und das zusätzlich Ressourcen gekostet hat.
    Aber natürlich ist es sehr herausfordernd auf Dauer alleine für die Peer Arbeit verantwortlich zu sein und keinen Austausch dazu mit mitarbeitenden Peers haben zu können.
    Wir wünschen euch, erstmal viel Zeit für euch selber und dann vielleicht Lust und Energie für neue erfüllende Ideen.

    Liebe Grüße
    Sanne

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