Wir haben von der Absage des geplanten „2. Münchner Fachtages zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt“ gelesen und kauen an der nebulösen, unklaren Begründung des „TraumaHilfeZentrums München“ herum:
„Auch in der aktuellen Berichterstattung verbreiten sich unterschiedliche Narrative (zu oben genannten Gewaltformen; vor allem leugnende Narrative, Anmerkung der Autorin) zunehmend. Diese Medienberichte haben keinen direkten Bezug zu unserer Veranstaltung, aber möglicherweise negative Auswirkungen auf Beteiligte, weil sie auch fachliche Verzerrungen enthalten und zum Teil falsche (ideologische) Zusammenhänge herstellen.
Leider haben diese Entwicklungen dazu geführt, dass wir uns als Organisationsteam derzeit nicht inr Lage sehen, einen sicheren Raum für einen offenen und fachlich produktiven Austausch zwischen allen Beteiligten zu gewährleisten. Wir haben uns daher entschieden, den 2. Münchner Fachtag zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt zu verschieben, bis wir einen sicheren und störungsfreien Rahmen für die Veranstaltung und für die Weiterführung des fachlich und politisch differenzierten Trialogs zwischen Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten herstellen können.“
Wie wir inzwischen erfahren haben, beziehen sich die Befürchtungen der Veranstalter*innen, mancher Referent*innen und „Betroffenenvertreter*innen“ konkret auf Einflüsse und Störungen durch Anhänger*innen der sogenannten „False Memory Syndrom- Bewegung“ und „Satanic-Panic“-Vertreter*innen. Deren Präsenz in diversen Medien und in verschiedenen mehr oder weniger einflussreichen sozialen Positionen, ist nicht neu- wurde aber in letzter Zeit massiver und zerstörerischer (siehe auch Backlash in der Schweiz).
Wer sich mit den Argumentationen, Haltungen, öffentlichen Vertreter*innen und Konsequenzen dieser Bewegungen näher beschäftigen möchte, möge sich bitte eigenverantwortlich informieren. Wir bieten diesen Inhalten auf diesem Blog keine Plattform. Ein Wiederlegen der Theorien ist sowohl durch wissenschaftliche Erkenntnisse, als auch durch öffentlich berichtete Ereignisse unkompliziert möglich: Organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt existiert; es gibt Gruppierungen und Netzwerke, die Darstellungen sexualisierter Kinderfolter verbreiten (und damit ja auch teilweise auffliegen!) und die Folgen dieser und anderer massiver, langjähriger Gewalttraumatisierungen (z.B. die Dissoziative Identitätsstruktur) sind inzwischen auch über bildgebende Verfahren im Gehirn erkennbar. Punkt.
Wir verstehen, dass Befürchtungen aufkommen, durch Störungen oder Einflussnahmen in der Durchführung eines Fachtages so sehr gestört zu werden, dass er inhaltlich, qualitativ, personell, ideell leidet. Wir verstehen auch, dass „sichere Räume“ wichtig sind. Wir verstehen, dass abgewogen werden muss, wie viel Gegenwind eine Institution oder Einzelpersonen tragen kann/können, ohne zu viel Schaden zu nehmen oder komplett diskreditiert zu werden.
Und wir verstehen uns und andere Betroffene: Wut, Enttäuschung, Erschütterung- Was für ein folgenreiches Signal wird durch die Absage zum jetzigen Zeitpunkt nach außen gesendet?! Es ist wie ein Einknicken, ein Zurückrudern oder auch „sich verstecken“- dort, wo Sichtbarkeit so wichtig wäre!
Die veröffentlichte Begründung des THZM ist unserer Ansicht nach viel zu vage und befeuert Spekulationen, die erst durch Nachfragen bestätigt oder korrigiert werden können. Warum wurde nicht konkret benannt, welche Narrative und welche Störungen gemeint sind? Warum ist es offenbar nicht möglich, diesen „Gegenwind“ aufzugreifen und mit gezielten, wissenschaftlich fundierten Argumentationen auszuhebeln- um dann wieder Raum und Energie für den eigenen Fokus zu haben? Warum gibt es anscheinend keine Optionen, einen Fachtag auch personell so zu sichern, dass Störungen entweder vermieden, oder aber schnell unterbrochen und beendet werden können? Warum werden Veranstalter*innen, Referent*innen, Workshopleiter*innen u.a. nicht viel lauter, sichtbarer, präsenter mit dem, was jetzt gerade ist und wie ihre Haltungen und Erfahrungen dazu aussehen?!
Betroffene organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt haben meistens ihr ganzes Leben lang mit Gegenwind zu kämpfen. Sie müssen flüchten, sich verstecken, sich anonymisieren; werden angezweifelt, ignoriert, im Weiterkommen behindert; sind oft therapeutisch und medizinisch unterversorgt; erleben den Einfluss organisierter Täter*innengruppen und deren Lobby tagtäglich in ihrem Innern und im Außen. Und wenn sie sich für ihr Leben entscheiden, statt sich zu suizidieren, haben sie keine andere Wahl, als sich mit all dem auseinanderzusetzen.
Wir haben in den letzten beiden Jahren in der Peer- und An-/Zugehörigenberatung so viele Menschen (mehr oder weniger) kennengelernt, die voller Mut, Wut, Hoffnung, Lebendigkeit, Kreativität, Resilienz usw. daran arbeiten, „trotz allem“ / „mit allem“ leben zu können. Es waren Menschen mit Dissoziativer Identitätsstruktur, Freund*innen, Partner*innen, Verbündete, professionelle Helfer*innen- und immer wieder haben wir gelesen, wie groß der Wunsch nach Vernetzung, Verbindung und Austausch mit anderen ist: Als Gegenpol zur Macht der Täter*innen. Als Erleben von Handlungsfähigkeit!
Wir brauchen Menschen, die bereit und fähig sind, Gegenwind auszuhalten und umzuleiten. Die sich nicht einschüchtern lassen und wissen, wie wichtig ihr Engagement ist. Die sich trauen, über Bullshit zu lachen und eine*n plumpe*n Angreifer*in mit zwei Griffen auf die Matte zu schicken. Die furchtlos, aber nicht naiv sind. Die es schaffen, ihren eigenen Fokus im Blick zu behalten. Und die Freude daran haben, ihr eigenes Wissen und den eigenen Horizont stetig zu erweitern.
Liebes TraumaHilfeZentrum München, liebe Mit-Gestalter*innen, wir hoffen, dass es bald einen neuen Termin für den geplanten Fachtag gibt.
Wir hätten uns gewünscht, Ihr wärt lauter und sichtbarer geworden, statt den befürchteten Störer*innen das Feld für ihren (medialen) Affenzirkus so sang- und klanglos zu überlassen.
Wir werden am Samstag ein Video dazu veröffentlichen. Wichtiger Aufruf und unsere Idee ein Gegengewicht zu setzen. Gerne teilen, gerne unterstützen, wenn ihr mögt.
Per Mail, für euch auch gerne vorab. Schreibt uns?
Da sind wir auch gespannt drauf, auf das Video, lunis…
Werden teilen.
Ok
SUPER !!!
Wir sind darüber einfach so sprachlos, dass wir das gar nicht in sinnvoll aneinanderpassende Worte gefasst bekommen. Daher danke für euren Beitrag. Kann/Darf man den rebloggen?
Darf man 🙂
Super, dann tun wir das doch mal 🙂
Hier bei unsrer Beratungsstelle wird auch Feuer gelegt.
Und wir sind darüber auch so entsetzt. Es scheint, als ob die ganzen Täterringe und false-memory und was weiß ich noch grade alles tun, damit alles den Bach runtergeht.
unsere Frau Stark aus der Beratungsstelle ist da auch sehr betroffen von und muss ständig sich rechtfertigen und die Arbeit rechtfertigen und wird so unter Druck gesetzt….
Und das ist eindeutig das falsche Zeichen, was das Traumahilfezentrum da setzt, wobei Frau Stark schon sagte, dass sie auch schauen müssen, ob sie den Fachtag überhaupt noch machen können dieses Jahr. Traurig….
sehr gut formulierter Beitrag, Paula, vielen Dank !
Liebe Paula, danke für Deine klaren Worte hier. Ich hab das nur über Dich erfahren und bin entsetzt über die Absage – aus sehr ähnlichen Gründen, wie Du sie formuliert hast. Wir brauchen SICHTBARKEIT, nicht einknicken vor denen, die leugnen oder stören. Wir brauchen Menschen, die STEHEN bleiben gerade angesichts der Widerstände, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Wir müssen uns zusammentun und uns wehren gegen die, die die Wahrheit verdrehen und uns mundtot machen wollen.
Ja, ich verstehe, wenn Veranstalter kalte Füße bekommen – aber es wäre so wichtig, gerade jetzt nach neuen Wegen zu suchen und die Veranstaltung bald nachzuholen.
Wir nicken hier sehr zustimmend zu Deinem Kommentar! Danke dafür.
Danke für den Text, wir mühen uns gerade auch mit Aufklärung und den Ereignissen in der Schweiz ab und sind erschüttert von der Dominanz dieser aktuellen Bewegungen, auf die wir momentan an jeder Ecke treffen.
Ja, es ist erschütternd! Wir wünschen Euch viel Kraft, Energie und Unterstützung!
ich würde mich gerne mit ihnen austauschen – habe eine mehrteilige Serie mit einer Betroffenen gemacht
Ich habe mir Ihre Inhalte auf Instagram angesehen und möchte mich nicht mit Ihnen austauschen.
Hallo, Paula, das alles hat uns sehr umgehauen und wir finden das so gut, dass hier ganz klar und deutlich vertreten wird, dass es einen großen Wunsch nach einem Miteinander gegen diesen ganzen Mist gibt. Wir haben aber leider nur wenige Kenntnisse von Internet, social media usw. und wissen nicht, wie wir an das angekündigte Video kommen können . Bindet ihr das irgendwie hier ein? Wir wollen uns gerne damit beschäftigen.
Hallo, das angekündigte Video der lunis findet Ihr auf ihrem YouTube-Kanal “DIS-obey“. Ist über die dortige Suchfunktion zu finden. Liebe Grüße!
Es ist unverständlich, warum die Veranstaltung nicht so geschützt werden kann, dass Störungen zügig unterbunden werden können – die Veranstalter haben schließlich das Hausrecht. Und für die Finanzierung eines Sicherungskonzeptes hätte es vielleicht auch eine Finanzierung geben können. Wer könnte eine „breite Brust“ machen, wenn nicht ein großer Player wie das THZM. Anderseits werden die die Veranstaltung sicherlich nicht leichtfertig abgesagt haben. Es ist ernüchternd!
Ja, darüber habe ich auch nachgedacht. Und besonders weil so viele Fragen offen bleiben und viel Raum für Spekulationen ist (bzw. erst nach persönlichen Nachfragen etwas konkretisiert wird), hinterlässt diese Absage einen sehr bitteren Nachgeschmack.
Ich hätte es begrüßt, wenn besonders die Info, von wem welche Störungen befürchtet werden, von den Veranstalter*innen selbst veröffentlicht worden wäre.
was mir auffällt, dass sowohl der ursprünglich geplante Veranstaltungsort in München in den Räumen der Katholischen Stiftungshochschule München alsauch die DGTD Tagung 2023 in der Akademie FRANZ HITZE HAUS, eine Einrichtung des Bistums Münster, ja kirchliche Veranstaltungsorte sind.
Ich frag mich, warum man als DGTD nicht staatliche Räumlichkeiten finden kann.