„Wenn wir innen einen Bundeskanzler hätten, könnte der auch mal einen Idioten einfach feuern.“, sagt jemand, während wir Nachrichten schauen.
„Ein*e Bundeskanzler*in wird demokratisch gewählt“, entgegnet eine Andere „Und von Demokratie kann man bei uns ja nicht so richtig sprechen.“
„Wovon denn sonst? Diktatur? Anarchie? Strukturiertes Chaos?“
„Ein um Demokratie bemühtes, ursprünglich hierarchisch strukturiertes System mit Minderheitsregierung…“
...
Wir beobachten das, was in der Welt außen passiert, wie „Politik“ oder „Staatsführung“ aussehen kann – und fragen uns, warum Menschen eine Dissoziative Identitätsstruktur eigentlich so häufig exotisieren. Außensysteme und Innensysteme sind doch im Grunde gar nicht so verschieden und müssen sich mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigen- um Wege zu finden, (gut) miteinander leben zu können.
Menschen teilen sich einen Planeten, ein Land, eine Stadt, ein Dorf, eine Siedlung, ein Haus und müssen sich organisieren. Das ist die Basis. Daraus entstehen unterschiedliche „Organisationsformen“: Mal bestimmt nur Eine*r, wo es langgeht, mal teilen sich mehrere bestimmte Verantwortungsbereiche; wer wann wie viel Macht, Einfluss, Möglichkeiten hat, kann mit Kampf, Krieg, Erbschaft, Traditionen, Wissen, Kapital, Status, Grundlagen, usw. zu tun haben.
Es gibt marginalisierte Gruppen, Unrecht, Diskriminierung, transgenerationale Weitergabe, Gewalt, Neid, Missgunst, Manipulation, Taktik, u.a.
Und es gibt Solidarität, Hilfsbereitschaft, Freund*innenschaft, Rettung, Vermittlung, Verbindung, Widerspruch, Einsatzbereitschaft, Gemeinschaft.
Wichtig ist, zu schauen, wie man miteinander kommuniziert, wie von wem Entscheidungen getroffen werden, ob es eine gemeinsame Richtung gibt, ob Kompromisse gefunden werden, wie Konflikte ausgetragen werden.
Ergreifen welche für andere Partei? Sind welche bereit zur Fürsprache, zum Demonstrieren oder Streiken? Beharren andere auf ihrem Recht, oder stecken sie auch mal zurück? Sind (alle) Regeln und Gesetze in Stein gemeißelt oder beweglich?
Wird allen Mitgestaltung ermöglicht? Sind die, die über Privilegien verfügen, freiwillig bereit, etwas abzugeben, oder muss man sie zwingen? Braucht es Gesetze- und wenn ja, wer legt sie fest und wer verteidigt sie wie?
Was ist mit jenen, die Grenzen überschreiten? Sind manche Grenzen verrückbar und andere nicht? Werden die Gründe dafür gewürdigt und berücksichtigt?
Wohin mit Personen, die Schaden anrichten? Gibt es bei ihnen ein Bewusstsein zum „Gemeinwohl“? Wie werden Sanktionen festgelegt und umgesetzt? Wird ihre Wirksamkeit überprüft und reflektiert?
Und so weiter, und so fort.
Menschen teilen sich Lebensbereiche. Manche haben mehr Raum zur Verfügung, manche weniger. Manche haben sich ihren Ort ausgesucht, andere wurden dort hin geboren oder „platziert“.
Wenn verschiedene Persönlichkeiten einen Körper miteinander teilen (müssen), sind sie dort, weil sie zur Lebenserhaltung und Anpassung wichtig sind. Sie bilden ein System- und müssen sich zwangsläufig damit beschäftigen, wie sie sich (weiter) organisieren wollen. Sofern es darum gehen soll, am/im Leben zu bleiben und so etwas wie Selbstbestimmtheit spüren zu können. Wenn strukturelle Dissoziation mit all ihren Symptomen die Königin des Hauses bleibt, verhungern die Bewohner*innen langsam trotz gefüllter Speisekammer. Weil ihnen der Zugang verwehrt wird.
Das, was außen in der Welt passiert, kann ein Spiegelbild dessen sein, was im Innern abläuft – und umgekehrt. Systeme dissoziieren strukturell – indem sie „ausblenden“, was ist; indem sie (sich) spalten und in einer Erstarrung verharren.
Rechte Strömungen breiten sich aus, radikale Personen bekommen (mehr) Macht, ganze Gruppen/Völker werden ausgelöscht, der Klimawandel schreitet voran – und es lähmt das Gefühl, dem nichts entgegensetzen zu können. „Es“ passiert (scheinbar) einfach. Es gibt jene, die Gewalt ausüben und/oder unterstützen (wählen), aus unterschiedlichen Gründen- und jene, die „dagegen sind“ und etwas anderes wollen. Belastung, Angst, Krise, Überforderung- und dann? Kampf oder Flucht? Oder Erstarrung und Unterwerfung? Sich dem „Schicksal“ fügen? Es findet kollektive Dissoziation statt.
Das, was in überfordernden, belastenden, beängstigenden Situationen hilft, ist, in Verbindung mit anderen zu gehen. Sich verbünden und solidarisieren, Mitgefühl spüren, sich helfen, (be-)schützen, stärken, beruhigen- wenn dies möglich (gemacht) wird, kann Erstarrung vermieden werden.
Menschen bleiben (oder werden wieder) handlungsfähig, wenn sie sich mit anderen verbinden können.
Verbindung bedeutet Bewegung und Bewegung bedeutet „Ausweg(e) aus der Dissoziation“.
Es entsteht Assoziation- und aus der Monarchie kann eine Republik werden.
Eine bewegte, dynamische Gemeinschaft in Balance halten zu können, bedeutet für uns, dass es mehrere Verantwortungsträger*innen und Aufgabenverteilungen geben muss. Ein „Grundgesetz“, in dem basale Regeln des Zusammenlebens festgehalten werden, ist für uns unverzichtbar. All das nützt jedoch wenig, wenn eine insgesamt respektvolle (besser noch: liebevolle) Grundhaltung abhanden kommt. Ohne sie ist alles nichts.
Außenpolitik, Innenpolitik – so viele Systemfragen, die so logisch sind.
Wie spannend, mit all dem zu arbeiten, oder?
Liebe Paula,
„Ein um Demokratie bemühtes, ursprünglich hierarchisch strukturiertes System mit Minderheitsregierung…“ , das ist (auch für uns) so treffend beschrieben 😆
Ich finde die Vergleiche, die du in deinem Text ziehst und anschaulich, dass wir nickend dasitzen und jemand innen sagt: Ja, genauso isses…
Es ist zwar nicht einfach aber tatsächlich spannend und wie ich finde auch so lohnenswert, mit all dem zu arbeiten.
Liebe Grüße von uns zu euch
Danke, Ihr! Liebe Grüße zurück