Kontaktpunkte

Warum es wichtig ist, auch nach schwierigen Tagen aufmerksam zu bleiben

Schwierige Tage geschafft? Gut für sich gesorgt, gut durch die Zeit gekommen, relativ wenige posttraumatische Belastungssymptome gespürt?

Stolz und/oder erleichtert, dass es okay geklappt hat, es evtl. keine oder nur milde Selbstverletzungen gab, keinen Suchtrückfall, keinen Täter*innenkontakt?

Oder vielleicht eher froh, dass es nicht ganz so dramatisch wie befürchtet oder erwartet gekommen ist?

Oder auch: Super funktioniert, trotz allem?

Und dann?

Dann sind die „schwierigen Tage“ vorbei, die Notfallpläne werden wieder zur Seite geschoben, man atmet irgendwie (kurz) durch – und plötzlich brennt die Hütte. Tage nach „den Tagen“ geht nichts mehr; da packen dich evtl. die bodenlose Erschöpfung und der Schmerz, der Körper „spielt verrückt“, du bist bis in die Haarspitzen reizüberflutet und dich triggern Dinge so massiv, wie „schon lange nicht mehr“. Vielleicht gerätst du in einen heftigen Selbstverletzungsdruck, spürst Drang zu Menschen hin, die dir schaden, usw. Oder du verstummst, verhärtest, erkaltest, ziehst dich innerlich von allem/allen zurück, fühlst dich so weit weg von „deinem Alltag“ und dir selbst.

Vielleicht schämst du dich dafür, weil die „schweren Tage“ doch vorbei sind und es keinen Grund gibt, jetzt so „abzurutschen“? Vielleicht weißt du nicht, wohin du dich wenden kannst, weil Notfallkontakte oder Zusatzgespräche o.a. nur für bestimmte Daten vereinbart waren- und doch jetzt eigentlich alles wieder gut sein müsste…?

Ich möchte dich ermutigen und bestärken: Versuche, dich nicht fertig zu machen dafür, dass und wann du leidest. Versuche, Krisen nicht als persönliches Versagen anzusehen, sondern als Signal für missachtete Bedürfnisse oder auch überschrittene Grenzen.

Mit komplexen Traumafolgen zu leben, bedeutet chronischen Stress. Den zu kompensieren und im Alltag irgendwie zu „funktionieren“, hast du zwar sehr trainiert und verinnerlicht, aber das heißt nicht, dass es dir und deinem gesamten System „nichts ausmacht“.

Sobald du spüren kannst, WIE hart das ist und wie schrecklich allein du dich damit eigentlich fühlst, ist der Weg vom reinen „Überleben“ ins „Leben“ geöffnet.

3 Kommentare

  1. Danke für das Abholen mit Worten. Mir ist es gerade mit einer OEG-Verhandlung so gegangen, gut vorbereitet, gut begleitet, irgendwie überstanden und im Abrutschen danach allein und beschämt, bis wir uns nach Wochen wieder mehr spüren und verbünden und auch nach außen wenden konnten.
    Was toll ist: Die Texte in diesem Blog haben irgendwie Luft zwischen den Zeilen und lassen uns frei in unseren Reaktionen. Wir lesen immer vertrauensvoller und lassen uns unterschiedlich ansprechen und anregen und kommen manchmal in ein Gespräch, mit dem Text oder miteinander. Ich kenne ganz wenige Texte, die das können.
    Herzliche Grüße Daniela

    1. Ui, Daniela, das ist eine sehr berührende, schöne Rückmeldung für uns! Vielen Dank für Deine/Eure Worte und dass Ihr Euch auf unsere Texte so einlasst.
      Wir wünschen Euch Erholung und Halt und möglichst viele gute, verbindende Momente nach der schweren Zeit.

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